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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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sie von ihm wollte, war ihm gar nicht mehr zum Lachen zumute gewesen. Er hatte getan, worum sie ihn gebeten hatte. Er war ihr Verbündeter geworden. Miss Marple nickte mit dem Kopf und sagte leise: »Armer Mr Rafiel. Hoffentlich hat er nicht mehr zu sehr leiden müssen.« Ein tapferer Mann. Ein bisschen herrschsüchtig und ein bisschen aggressiv, doch irgendwo in einer verborgenen Ecke seines Herzens auch sehr gütig. Schade, dass er nun nicht mehr da war. Wer wohl jetzt das viele Geld erben würde? Ob er überhaupt verheiratet war?
    Miss Marple legte seufzend ihr Strickzeug weg und schaute sehnsüchtig zum Garten hin. Auf einmal kam ihr in den Sinn, dass sie noch gar nicht nachgesehen hatte, was George, der Gärtner, gestern getan hatte. Leise ächzend stand sie auf – ihr Rheuma war gerade an diesem Tag besonders lästig – und ging aus dem Zimmer. Sie machte die Haustüre auf und musste sich gleich ärgern, als sie sah, dass George die Gartengeräte mitsamt der Gießkanne nicht an den Platz gestellt hatte, an den sie gehörten. Das kam davon, wenn man sich nicht mehr selbst um alles kümmern konnte. Langsam ging sie den Steinweg entlang und bemühte sich, das Unkraut zu übersehen, das durch einige Ritzen der Steinplatten kroch. »Was hilft es, ich kann es ja doch nicht ändern«, murmelte sie vor sich hin, als sie an die Gartenpforte kam.
    Eine Frau, die gerade in diesem Augenblick draußen am Zaun entlangging, wandte ihren Kopf und fragte: »Wie bitte, haben Sie mit mir gesprochen?«
    Miss Marple schaute erstaunt auf. »Aber nein, entschuldigen Sie, ich habe nur so vor mich hin geredet. Das passiert leider manchmal in meinem Alter.« Jetzt erst bemerkte sie, dass sie es mit einer ganz fremden Frau zu tun hatte. Merkwürdig, wo sie doch hier in St. Mary Mead alle Leute kannte. Es war eine untersetzte Frau in einem ziemlich abgetragenen Tweedrock, leuchtend grünem Pullover und gestricktem Wollschal.
    »Sie haben einen schönen Garten«, sagte die Frau freundlich.
    »Na ja, er ist jetzt leider nicht mehr so schön, wie er mal war.« Miss Marple machte eine resignierte Geste. »Als ich noch alles selbst machen konnte…!«
    »O ja, ich weiß«, fiel ihr die Frau ins Wort. »Ich weiß genau, was Sie sagen wollen. Ich nehme an, Sie haben auch so einen alten Mann angestellt, der behauptet, er verstünde etwas von der Gärtnerei. Meist haben sie aber nicht die geringste Ahnung davon. Sie kommen und lassen sich eine Tasse Tee nach der andern geben und unterbrechen ihre Ruhepausen nur, um sich hin und wieder mal nach einem Unkraut zu bücken. Ich kenne diese Leute. Manchmal sind sie ja ganz unterhaltend, aber meist muss man sich über sie halb tot ärgern. Sie müssen wissen«, fügte sie hinzu, »ich bin selbst eine leidenschaftliche Gärtnerin.«
    »Leben Sie hier?«, fragte Miss Marple nun, denn sie konnte ihre Neugierde doch nicht ganz bezwingen.
    »Ja, bei einer Mrs Hastings. Ich glaube, sie hat auch schon einmal von Ihnen gesprochen. Sie sind doch Miss Marple, nicht wahr?«
    »Ja, die bin ich.«
    »Ich helfe Mrs Hastings bei der Gartenarbeit. Mein Name ist übrigens Bartlett, Miss Bartlett. Ich habe nicht besonders viel zu tun; Mrs Hastings hat eine Vorliebe für einjährige Pflanzen und solches Zeug. Natürlich beschäftige ich mich auch sonst, mache Einkäufe und so. Aber viel ist es nicht. Wenn Sie wollen, könnte ich Ihnen hin und wieder im Garten helfen, ein oder zwei Stunden in der Woche. So gut wie der Mann, den Sie jetzt haben, mache ich es sicher auch.«
    »Es ist keine schwere Arbeit«, sagte Miss Marple erfreut. »Ich mag sowieso Blumen am liebsten. Aus Gemüse mach ich mir nicht sehr viel.«
    »Na, Gott sei Dank. Ich muss mich drüben schon um das Gemüse kümmern, bei Mrs Hastings. Eine ziemlich langweilige Arbeit, aber leider notwendig. Sie werden sehen, ich komme sicher zurecht. Auf Wiedersehen.« Sie nickte und schaute Miss Marple merkwürdig eindringlich an, als ob sie sich ihre Züge einprägen wolle. Dann ging sie weiter in Richtung auf den Ort zu.
    Mrs Hastings? Miss Marple konnte sich nicht erinnern, diesen Namen hier schon einmal gehört zu haben. Auf jeden Fall nicht in Zusammenhang mit einem Garten. Vielleicht wohnte sie in einem der neuen Häuser unten am Ende der Gibraltar Road, die im letzten Jahr gebaut worden waren. Miss Marple seufzte, schaute mit Widerwillen auf die purpurroten Löwenmäulchen – wie oft hatte sie George schon gesagt, dass sie nur schwefelgelbe haben wollte, denn
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