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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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sie mochte dieses Rot nicht –, bemerkte einige Stellen mit Unkraut und konnte nur schwer der Versuchung widerstehen, sich selbst ans Werk zu machen. Aber was half es, sie musste nachgeben. Langsam ging sie auf ihr Haus zu. Jetzt fiel ihr auch wieder Mr Rafiel ein. Sie musste doch gleich mal nachsehen, ob sie in der Times einen Nachruf entdecken konnte. Aber nein, wahrscheinlich würde nichts über ihn drinstehen. Er war ja weder ein Industrieller noch ein Bankier gewesen. Er war nur ein Mann, der sein Leben damit verbracht hatte, riesige Summen von Geld zu verdienen.

2
     
    E twa eine Woche war seit Mr Rafiels Tod vergangen, als Miss Marple einen Brief auf ihrem Frühstückstisch entdeckte, den sie etwas länger als gewöhnlich anschaute, bevor sie ihn öffnete. Die anderen beiden Briefe, die mit der Morgenpost gekommen waren, sahen verdächtig nach Rechnungen aus und konnten noch eine Weile liegen bleiben. Dieser Brief aber weckte ihr Interesse. Ein Londoner Poststempel, die Adresse mit der Maschine geschrieben, ein längliches Kuvert von bemerkenswert guter Qualität. Miss Marple griff nach dem Brieföffner, der immer auf ihrem Tisch bereitlag, und schlitzte das Kuvert sorgsam auf. Der Brief stammte von einer Anwaltsfirma, Broadribb und Schuster, mit dem Sitz in Bloomsbury. Miss Marple wurde darin gebeten, in der nächsten Woche in die Kanzlei zu kommen, damit man sich über eine Angelegenheit unterhalten könne, die vielleicht für sie von Interesse wäre. Donnerstag, der 24. wurde vorgeschlagen. Wenn dieser Termin jedoch nicht angenehm sei, möge Miss Marple Nachricht geben, an welchem Tag sie in nächster Zeit nach London kommen könne. Es wurde hinzugefügt, dass Mr Broadribb und Mr Schuster die Anwälte des verstorbenen Mr Rafiel seien, der ihres Wissens mit Miss Marple bekannt gewesen sei.
    Miss Marple legte den Brief beiseite. Merkwürdig, was wollte man wohl von ihr? Mr Rafiel würde sie wohl kaum in seinem Testament bedacht haben, das war nicht anzunehmen. Oder vielleicht doch? Irgendein seltenes Werk über Blumen, von dem er wusste, dass es einer alten Dame Spaß machen würde. Oder eine Kamee-Brosche, die vielleicht einer Großtante gehört hatte. Miss Marple lächelte. Ein Blick auf ihren Kalender überzeugte sie davon, dass sie an dem genannten Termin keine Zeit haben würde. Sie setzte sich hin, schrieb ein paar Zeilen und schlug den Anwälten einen anderen Tag in der nächsten Woche vor. Jetzt erst kam ihr in den Sinn, dass es sich wohl kaum nur um ein kleines Erinnerungsgeschenk handeln würde, denn das hätte man ihr auch schicken können. Dazu müsste sie nicht selbst nach London kommen. Miss Marple griff nach ihrem Strickzeug. »Warten wir ab«, sagte sie vor sich hin, »am nächsten Dienstag werde ich alles erfahren.«
     
    »Ich bin gespannt auf sie«, sagte Mr Broadribb zu Mr Schuster und schaute ungeduldig auf die Uhr.
    »Sie muss in einer Viertelstunde hier sein«, meinte Mr Schuster.
    »Ob sie wohl pünktlich ist?«
    »Das ist anzunehmen. Es handelt sich ja um eine ältere Dame. Die Generation ist noch an Pünktlichkeit gewöhnt, das war damals anders als heute.«
    »Sicher ist sie dick. Oder?«, wollte Mr Schuster wissen.
    Mr Broadribb zuckte die Achseln.
    »Hat Rafiel sie Ihnen denn nie beschrieben?«, fragte Mr Schuster.
    »Nein. In allem, was sie betraf, war er besonders verschlossen.«
    »Die ganze Sache kommt mir sehr merkwürdig vor«, sagte Mr Schuster. »Wenn wir doch nur ein bisschen mehr darüber wüssten.«
    »Es könnte sein«, meinte Mr Broadribb nachdenklich, »dass es etwas mit Michael zu tun hat.«
    »Was? Nach all diesen Jahren? Nein, das glaube ich nicht. Wie kommen Sie denn darauf? Hat er irgendetwas – «
    »Nein, gesagt hat er nie etwas. Er hat sich über die Sache nie geäußert und hat mir nur bestimmte Anweisungen gegeben.«
    »Ich glaube, er war in den letzten Jahren ziemlich überspannt.«
    »Nein, das kann man nicht sagen. In geistiger Hinsicht hat er sich nicht verändert, seine Krankheit hat auch niemals sein Denken beeinflusst. Immerhin hat er in den letzten beiden Monaten seines Lebens so ganz nebenbei noch zweihunderttausend Pfund verdient.«
    Das Telefon läutete, und Mr Schuster nahm den Hörer ab. Eine weibliche Stimme sagte: »Miss Jane Marple ist da und möchte Mr Broadribb sprechen.«
    »Ja, bitte bringen Sie sie herein«, sagte Mr Schuster, und zu Broadribb gewandt: »Nun werden wir es ja sehen.«
    Miss Marple betrat einen Arbeitsraum, und ein
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