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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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das Verbrechen aufklären. Ich habe dafür ein Jahr vorgesehen. Sie sind zwar nicht mehr jung aber – wenn ich das so sagen darf – sehr zäh. Ich denke sicher, dass das Schicksal Sie mindestens noch ein Jahr am Leben lässt.
    Ich glaube auch, dass die damit verbundene Arbeit für Sie nicht unangenehm ist. Die nötigen Mittel, nennen wir es einmal das Arbeitskapital, um diese Aufklärungsarbeiten zu betreiben, we r den Ihnen, wann immer es nötig ist, zur Verfügung gestellt.
    Ich sehe Sie vor mir, in einem bequemen Sessel sitzend, der dazu geschaffen ist, Ihnen Ihr Rheuma erträglicher zu machen. Alle Menschen in Ihrem Alter haben, glaube ich, irgendeine Art von Rheuma. Wenn Sie die Schmerzen in den Knien oder im Rücken haben, werden Sie nicht mehr viel herumlaufen können, und so werden Sie die meiste Zeit in Ihrem Sessel sitzen und stricken. Ich sehe Sie vor mir wie damals, als Sie mich in Ihrer Not aus dem Schlaf aufschreckten: in einer Wolke aus rosa Wolle. Ich s e he Sie vor mir, wie Sie Kinderjäckchen und Schals stricken. Wenn Sie lieber stricken wollen, so ist das Ihr gutes Recht. Wenn Sie aber lieber der Sache der Gerechtigkeit dienen wollen, so hoffe ich, dass es zumindest eine interessante Zeit für Sie werden wird.

3
     
    M iss Marple las diesen Brief dreimal sorgfältig durch, dann legte sie ihn beiseite. Wenn sie es recht bedachte, enthielt er nicht die geringste Information. Ob Sie von Mr Broadribb noch eine Nachricht bekommen würde? Nein, das war nicht anzunehmen. Das würde nicht in Mr Rafiels Plan passen. Wie aber, um alles in der Welt, konnte Mr Rafiel annehmen, dass sie in einer Sache etwas unternahm, von der sie nicht das Geringste wusste? Eine verzwickte Angelegenheit. Nach einigen Minuten weiterer Überlegung kam sie zu der Ansicht, dass Mr Rafiel die Sache absichtlich spannend machen wollte. Es hatte ihm wahrscheinlich Spaß gemacht, Mr Broadribb auf die Folter zu spannen. Ja, das sähe Mr Rafiel ähnlich. Es war gar nicht seine Absicht, ihr irgendeinen Fingerzeig zu geben. Den würde sie bekommen, wahrscheinlich schon sehr bald, aber ohne Mr Broadribbs Wissen.
    »Ich werde weitere Anweisungen bekommen«, sagte Miss Marple. »Doch was für welche und durch wen?« Jetzt erst fiel ihr auf, dass sie, ohne es zu merken, sein Angebot angenommen hatte. Und sie sagte laut, doch diesmal nicht zu sich selbst: »Ich glaube an das ewige Leben. Ich weiß nicht genau, wo Sie im Augenblick sind, Mr Rafiel, aber ich zweifle nicht daran, dass Sie irgendwo sind. Ich werde alles tun, um Ihren Wunsch zu erfüllen.«
     
    Drei Tage später schrieb Miss Marple einen Brief an Mr Broadribb. Es war ein sehr kurzer und sehr sachlicher Brief:
    Sehr geehrter Mr Broadribb,
    ich habe über den Vorschlag, den Sie mir machten, nachgedacht und möchte Sie hiermit wissen lassen, dass ich das Angebot des verstorbenen Mr Rafiel annehme. Ich werde mein Bestes tun, um seine Wünsche zu erfüllen, bin mir jedoch keineswegs sicher, ob ich Erfolg haben werde. Tatsächlich sehe ich im Augenblick kaum eine Möglichkeit, erfolgreich zu sein, denn mir sind in di e sem Brief keinerlei direkte Anweisungen gegeben worden. Sollten Sie im Besitze weiterer Informationen sein, die Sie noch für mich bereithalten, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir überse n den würden. Doch ich denke, dies ist nicht der Fall, sonst hätten Sie es bereits getan. Ich nehme an, dass Mr Rafiel im vollen B e sitz seiner geistigen Kräfte war, als er starb? Ich glaube, ich habe das Recht zu fragen, ob es in letzter Zeit irgendeinen Kriminalfall gegeben hat, an dem er besonders interessiert war, sei es in g e schäftlicher oder in privater Hinsicht? Hat er Ihnen gegenüber jemals seinen Ärger oder seine Unzufriedenheit über eine Recht s beugung geäußert, die ihn beschäftigte? Wenn dies der Fall ist, habe ich sicher das Recht, darüber informiert zu werden. Hat i r gendein Verwandter oder ein Bekannter von ihm in letzter Zeit unter einem Unrecht, einer unbilligen Härte oder ähnlichem geli t ten?
    Sicher verstehen Sie, warum ich nach diesen Dingen frage. Ich bin davon überzeugt, dass Mr Rafiel es von mir erwartet hätte.
     
    Mr Broadribb zeigte den Brief Mr Schuster, der sich in seinem Sessel zurücklehnte und leise vor sich hinpfiff. »Donnerwetter, sie macht sich also ran, das alte Schlachtross. Na, wer weiß, ob sie nicht doch eine Ahnung hat, worum es geht.«
    »Offenbar nicht«, sagte Mr Broadribb.
    »Wenn wir doch nur etwas mehr wüssten.
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