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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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aufgeregte Ausländer Mr Caspar war.
    Der Sitz vor ihnen wurde von der zweiten der beiden Damen um sechzig eingenommen, einer sehr großen Dame, die überall aufgefallen wäre. Sie sah immer noch gut aus, hatte dunkelgraues, hochgestecktes Haar, eine schöne Stirne und eine tiefe, ausdrucksvolle Stimme. Eine Persönlichkeit, dachte Miss Marple. Jemand, der etwas darstellte. Und ihr fiel eine andere Dame ein, die Leiterin einer Oxforder Schule, die sie einmal kennen gelernt und die einen ganz ähnlichen Eindruck auf sie gemacht hatte.
    Miss Marple setzte ihre Bestandsaufnahme fort. Es waren zwei Ehepaare da, das eine Amerikaner, eine sehr gesprächige Frau mittleren Alters und ihr ruhiger, ungefähr gleichaltriger Mann. Sie waren offensichtlich passionierte Reisende. Bei dem anderen Ehepaar handelte es sich um Engländer, wohl ein pensionierter Offizier mit seiner Frau. Miss Marple entschied anhand ihrer Liste, dass es sich um Colonel Walker und seine Frau handeln musste.
    Hinter ihr saß ein großer, dünner Mann, etwa dreißig, der mit technischen Ausdrücken um sich warf und ohne Zweifel ein Architekt war. Außerdem waren noch zwei Damen mittleren Alters mit von der Partie, die zusammen reisten und ziemlich weit hinten im Omnibus Platz genommen hatten. Sie unterhielten sich offensichtlich über die Sehenswürdigkeiten, die in der Broschüre angepriesen wurden. Die eine war dünn und dunkelhaarig, die andere untersetzt, mit hellem Haar. Ihr Gesicht kam Miss Marple bekannt vor, und sie fragte sich, wo sie ihr schon begegnet war. Es fiel ihr jedoch nicht gleich ein. Vielleicht hatte sie sie einmal bei einer Cocktailparty gesehen oder war ihr im Zug gegenübergesessen.
    Nun gab es nur noch einen Mitreisenden, den Miss Marple nicht genauer betrachtet hatte: einen jungen Mann mit unordentlicher schwarzer Haarmähne, etwa neunzehn oder zwanzig, in eng anliegenden schwarzen Jeans und rotem Pullover. Er schaute hin und wieder mit unverhohlenem Interesse zu der Nichte der gebieterischen Dame hinüber, und diese wiederum, so stellte Miss Marple fest, betrachtete ihn ebenfalls nicht uninteressiert. Immerhin, so konstatierte sie erfreut, zwischen all dem alten und mittelalterlichen Gemüse wenigstens zwei junge Leute!
    Zum Mittagessen hielt man an einem reizenden Hotel am Ufer der Themse, und der Nachmittag war der Besichtigung des Schlosses Blenheim gewidmet. Miss Marple hatte Blenheim schon zweimal gesehen, hielt sich daher nicht lange mit der Besichtigung der Innenräume auf, sondern ging hinaus, um sich an den Gärten und der herrlichen Aussicht zu erfreuen.
    Als man schließlich abends im Hotel ankam, hatten die Reisenden schon Gelegenheit gehabt, sich kennen zu lernen. Die tüchtige Mrs Sandbourne machte ihre Sache sehr gut und verstand es, Gespräche in Gang zu bringen und die Reisenden füreinander zu interessieren. Miss Marple wusste nun auch, wie alle Teilnehmer hießen. Die buschigen Augenbrauen gehörten tatsächlich zu Professor Wanstead, und der Ausländer war Mr Caspar. Die autoritäre Dame war Mrs Riseley-Porter, und ihre Nichte hieß Joanna Crawford. Der junge Mann mit der Haarmähne entpuppte sich als Emlyn Price, und die beiden älteren Damen – die übrigens doch recht nett waren – stellten sich als Miss Lumley und Miss Bentham heraus. Die beiden Damen mittleren Alters, die zusammen reisten, hießen Miss Cooke und Miss Barrow. Miss Marple hatte immer noch das Gefühl, dass sie die Dame mit den hellen Haaren, Miss Cooke, von irgendwoher kenne, doch vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass die beiden sie mieden, doch vielleicht war das auch nur Einbildung.
    Fünfzehn Personen, und wenigstens eine von ihnen musste in irgendeiner Weise etwas zu bedeuten haben. Gesprächsweise hatte sie an diesem Abend hin und wieder ganz beiläufig den Namen von Mr Rafiel erwähnt, um herauszubekommen, ob jemand darauf reagierte. Sie hatte aber keinen Erfolg gehabt.
    Die gut aussehende Frau erwies sich als Miss Elizabeth Temple. Sie war die pensionierte Direktorin einer berühmten Mädchenschule. Niemand kam Miss Marple wie ein Mörder vor, mit Ausnahme vielleicht von Mr Caspar. Doch das war wahrscheinlich Voreingenommenheit, weil er Ausländer war. Der dünne junge Mann, so zeigte sich, war Richard Jameson, ein Architekt.
    »Vielleicht werde ich morgen mehr Glück haben«, dachte Miss Marple, als sie zu Bett ging.

5
     
    A m nächsten Morgen wurde ein kleines Herrenhaus aus der
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