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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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Zeit der Queen Anne besichtigt. Die Fahrt dorthin war nicht sehr lang und anstrengend. Es war ein sehr hübsches Haus mit einer interessanten Geschichte und einem besonders schönen und ungewöhnlich angelegten Garten. Mr Jameson, der Architekt, war hier ganz in seinem Element und gefiel sich in der Rolle des Kunstsachverständigen – sehr zum Missfallen des Hausverwalters, der auch gerne mit seinem historischen Wissen geglänzt hätte. Endlich, gegen Ende der Führung, als man in einem der kleineren Räume war, kam er doch noch einmal zu Wort:
    »In diesem Zimmer, meine Damen und Herren, dem Weißen Salon, wie er im Volksmund heißt, wurde einst eine Leiche gefunden. Die Leiche eines jungen Mannes, der mit einem Dolch erstochen worden war. Er lag hier auf dem Kaminteppich. Das geschah irgendwann im 18. Jahrhundert. Die damalige Hausherrin, Lady Moffatt, hatte einen Geliebten, der durch eine Tapetentür hereingekommen war. Sir Richard Moffatt, ihr Mann, kehrte überraschend von einer Reise aus den Niederlanden zurück und erwischte sie hier.«
    Der Hausverwalter machte eine Pause, denn er stellte zufrieden fest, dass seine Erzählung nicht ohne Wirkung geblieben war.
    »Henry, ist das nicht herrlich romantisch?«, rief Mrs Butler begeistert aus. »Ja, ich spüre es, dieser Raum hat eine ganz besondere Atmosphäre.«
    »Mami ist außerordentlich empfänglich für die Atmosphäre von Häusern«, sagte ihr Mann stolz. »Als wir einmal in einem alten Haus in Louisiana waren…!«
    Miss Marple ergriff jetzt zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Reisegesellschaft die Gelegenheit, unauffällig den Raum zu verlassen. Sie machte sich auf den Weg ins Erdgeschoss, der über eine schöne, reich geschnitzte Treppe führte.
    »Eine Freundin von mir«, sagte Miss Marple zu Miss Cooke und Miss Barrow, die neben ihr die Treppe hinuntergingen, »hat vor einigen Jahren etwas Furchtbares erlebt. Sie fand eines Morgens in ihrer Bibliothek einen toten Mann.«
    »Ein Mitglied der Familie?«, fragte Miss Barrow. »Vielleicht ein epileptischer Anfall?«
    »O nein, es handelte sich um einen Mord. Ein fremdes Mädchen im Abendkleid. Blond. Aber ihr Haar war gefärbt. In Wirklichkeit hatte sie braune Haare und – oh …!« Miss Marple stutzte und schaute erschrocken auf Miss Cookes gelbe Haarsträhne, die unter ihrem Kopftuch hervorschaute.
    Auf einmal war es ihr wieder eingefallen. Sie wusste nun, weshalb ihr Miss Cooke so bekannt vorkam. Doch damals, als sie sie gesehen hatte, war sie dunkelbraun gewesen, fast schwarz. Und nun war das Haar hellblond.
    Mrs Riseley-Porter kam in diesem Augenblick auch die Treppe herunter und sagte in ihrer bestimmten Art: »Ich kann hier nicht ständig die Treppen rauf- und runterlaufen, und das Herumstehen bei der Führung ist auch sehr anstrengend. Ich glaube, die Gärten hier sind ziemlich berühmt. Ich schlage vor, wir schauen sie uns an. Wahrscheinlich bekommen wir sowieso schlechtes Wetter. Morgen wird es sicher schon regnen.«
    Mrs Riseley-Porters Autorität tat wie immer ihre Wirkung, und alle traten durch die Terrassentüren des Speisezimmers in den Garten. Tatsächlich gab es hier viel zu sehen. Mrs Riseley-Porter belegte Colonel Walker mit Beschlag und ging mit ihm davon. Einige andere folgten ihnen oder machten sich in entgegengesetzter Richtung auf den Weg. Miss Marple lief schnurstracks auf eine Gartenbank zu und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer nieder. Miss Elizabeth Temple, die ihr gefolgt war, setzte sich neben sie.
    »Besichtigungen sind immer anstrengend«, sagte Miss Temple. »Besonders wenn man sich in jedem Raum diese Litaneien mit anhören muss.«
    »Natürlich ist alles sehr interessant, was wir zu hören bekommen«, sagte Miss Marple mit zweifelndem Unterton.
    »Ach, wirklich?«, meinte Miss Temple. Sie schaute Miss Marple von der Seite an und merkte, dass sie ganz ihrer Meinung war.
    »Finden Sie das nicht?«, wollte Miss Marple nun genau wissen.
    »Nein«, sagte Miss Temple entschieden.
    Nun war das Einvernehmen vollkommen. Sie saßen eine Weile zufrieden und schweigend da, dann begann Miss Temple von Gärten im Allgemeinen zu erzählen und von diesem Garten im Besondern.
    »Er wurde von Holman entworfen«, sagte sie. »So um 1800 herum. Er starb sehr jung. Ein Jammer. Er war ein genialer Mann.«
    »Es ist sehr traurig, wenn Menschen jung sterben müssen«, sagte Miss Marple.
    »Ich weiß nicht, ist es wirklich traurig?«
    Sie sagte es in einem merkwürdig
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