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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte
Autoren: Steven Erikson
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patrouillierten an ihnen entlang, die Augen auf die dunkle, von Steinen übersäte Ebene jenseits der Barrikaden gerichtet.
    Auf dem Todesstreifen standen zwei Gestalten, die eine groß, die andere klein, beide so dürr wie Geister. Neder führte Duiker zu den beiden in Umhänge gehüllten Figuren.
    Sormo. Und Nil. »Seid ihr drei die Einzigen, die noch übrig sind?«, fragte der Historiker den großen Waerloga. »Bei der Besprechung mit Coltaine habt Ihr gesagt, Ihr hättet nur zwei verloren.«
    Sormo E'nath nickte. »Die anderen gönnen ihren jungen Körpern ein bisschen Ruhe. Ein Dutzend Pferdefrauen sorgt für die Pferde, und eine Hand voll Heiler kümmert sich um die verwundeten Soldaten. Wir drei sind die Stärksten, und darum sind wir hier.« Der Waerloga trat einen Schritt vor. Er wirkte irgendwie fiebrig, und in seinem Tonfall schwang eine unausgesprochene Frage mit, die der Historiker ihm nicht beantworten konnte. »Duiker, dessen Blick sich mit meinem gekreuzt hat, als der Geist des Wirbelwindes im Lager der Händler beschworen wurde, hört meine Worte! Ihr werdet die Furcht hören – jeden einzelnen ihrer düsteren Glockentöne. Dieser dunkle Chor ist Euch nicht fremd. So wisset denn, dass ich in dieser Nacht Zweifel hatte.«
    »Waerloga«, sagte Duiker leise, als Neder vortrat, um sich zu Sormos Rechter aufzustellen – und sich dabei umdrehte, sodass jetzt alle drei Magier den Historiker ansahen –, »was geschieht hier?«
    Als Antwort hob Sormo E'nath die Hände.
    Um sie herum veränderte sich die Welt. Hinter den drei Waerlogas konnte Duiker Moränen und Geröllhalden ausmachen, und der dunkle Himmel schien in seiner Schwärze über ihren Köpfen zu pochen. Der Boden unter Duikers Mokassins fühlte sich nass und kalt an. Der Historiker schaute hinunter und sah glitzernde Streifen aus bröckeligem Eis auf schlammigen Teichen. Die wahnsinnigen Muster in dem Eis reflektierten in Myriaden von Farben ein Licht, das keine Quelle zu haben schien.
    Eine kalte Windböe veranlasste ihn, sich umzudrehen – und ihm entschlüpfte ein kehliger Laut der Überraschung. Entsetzt und bis ins Mark erschüttert trat der Historiker unwillkürlich einen Schritt zurück. Direkt vor ihm ragte eine zerklüftete Klippe aus verrottetem, blutverschmiertem Eis in die Höhe, die umgestürzten, zerborstenen Brocken an ihrem Fuß waren kaum zehn Schritt von ihm entfernt. Seine Blicke wanderten entlang der leicht zurückweichenden Klippe nach oben, bis ihre gemaserte Oberfläche im Nebel verschwand.
    In dem Eis befanden sich Leichen, unzählige menschlich erscheinende Gestalten, grotesk verrenkt und in Stücke gerissen. Organe und Eingeweide lagen am Fuß der Klippe, als wäre sie ein riesiges Schlachthaus. Langsam schmelzende, mit Blut vollgesogene Eisbrocken hatten einen See geschaffen, aus dem einzelne Körperteile herausragten oder glitschige kleine Inseln bildeten.
    Das Fleisch, das der Luft ausgesetzt war, hatte längst zu verwesen begonnen und sich in missgestaltete gelatinöse Haufen verwandelt, durch die man schwach die Knochen hindurchschimmern sehen konnte.
    Hinter Duiker ertönte Sormos Stimme. »Er ist da drin, aber sehr nah.«
    »Wer?«
    »Der Gott der Semk. Ein Aufgestiegener aus einer längst vergangenen Zeit. Unfähig, der Zauberei zu trotzen, wurde er verschlungen wie die anderen. Aber er ist nicht gestorben. Könnt Ihr seinen Zorn spüren, Historiker?«
    »Ich glaube, ich kann überhaupt nichts mehr spüren. Welche Art von Zauberei hat das getan?«
    »Die der Jaghut. Um sich den Flutwellen der Menschen entgegenzustellen, haben sie das Eis erschaffen. Manchmal kam es schnell, manchmal langsam, gerade so, wie es ihre Strategie erfordert hat. An einigen Orten hat es ganze Kontinente verschlungen und alles ausgelöscht, was es dort einst gegeben hatte. Die Zivilisationen der Forkrul Assail, die gewaltigen Mechanismen und Bauwerke der K'Chain Che'Malle und natürlich auch die verwahrlosten Hütten derjenigen, die eines Tages die Welt erben sollten. Diese Rituale gehören zu den höchsten von Omtose Phellack, und sie versiegen nie, Historiker. Sie erheben sich, versinken und erheben sich wieder. Gerade jetzt wird eines in einem fernen Land neu geboren, und die Flüsse aus Eis erfüllen meine Träume, denn sie sind dazu bestimmt, eine gewaltige Umwälzung herbeizuführen – und damit einhergehen wird eine unvorstellbar große Zahl von Toten.«
    In Sormos Worten schwang der Klang einer Vorzeit mit, die unbarmherzige
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