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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte
Autoren: Steven Erikson
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Kälte verschiedener Zeitalter, die sich übereinander falteten, wieder und wieder, bis es Duiker so erschien, als ob jeder Felsen, jede Klippe, jeder Berg, als ob sie alle sich in ewiger Bewegung befänden, wie geistlose Leviathane. Schauer rasten durch das Blut in seinen Adern, bis er unkontrolliert zu zittern begann.
    »Denkt an all das, was sich in solchem Eis verbirgt«, fuhr Sormo fort. »Grabräuber finden Reichtümer, aber kluge Jäger auf der Jagd nach Macht suchen ... Eis.«
    Neder meldete sich zu Wort. »Sie haben angefangen, sich zu versammeln.«
    Duiker wandte sich endlich von dem verwüsteten, von Fleisch besudelten Eis ab. Formlose, pulsierende Wirbel aus Energie umgaben jetzt die drei Waerlogas. Einige wurden immer heller und energischer, während andere nur schwach in einem unsteten Rhythmus pulsierten.
    »Die Geister des Landes«, sagte Sormo.
    Nil zappelte unter seinem Umhang, als hätte er den Wunsch zu tanzen und könnte ihm kaum noch widerstehen. Ein finsteres Lächeln erschien auf seinem Kindergesicht. »Das Fleisch eines Aufgestiegenen birgt viel Macht. Sie alle hungern nach einem Stückchen davon. Mit diesem Geschenk, das wir ihnen bringen, sind sie uns auch weiterhin verpflichtet.«
    »Historiker!« Sormo trat näher an Duiker heran, streckte eine schmale Hand aus und legte sie ihm schließlich auf die Schulter. »Wie dünn ist dies Stück Barmherzigkeit? All dieser Wut ... endlich ein Ende gemacht. In Stücke gerissen, und jedes kleine Stückchen verzehrt. Es ist nicht der Tod, aber eine Art von ... Zerstreuung.«
    »Und was ist mit den Zauberpriestern der Semk?«
    Der Waerloga zuckte zusammen. »Sie werden es wissen, und großer Schmerz wird damit verbunden sein. Wir müssen dem Semk das Herz herausschneiden. Es benutzt Sterbliche auf eine Art und Weise ...« Er schüttelte den Kopf. »Coltaine befiehlt.«
    »Und Ihr gehorcht.«
    Sormo nickte.
    Ein Dutzend Herzschläge lang sagte Duiker nichts, dann seufzte er. »Ich habe Eure Zweifel gehört, Waerloga.«
    Sormos Gesichtsausdruck zeigte eine beinahe grimmige Erleichterung. »Und nun bedeckt Eure Augen, Historiker. Was jetzt kommt, wird ziemlich ... ekelhaft werden.«
    Hinter Duiker zerbarst das Eis mit donnerndem Getöse. Kalter roter Regen rollte wie eine Woge über den Historiker hinweg, brachte ihn ins Wanken.
    Ein wilder Schrei erklang hinter ihm.
    Die Geister des Landes schossen vorwärts, wirbelten, hüpften und tanzten an Duiker vorbei. Er fuhr herum und sah eine Gestalt – das Fleisch schwärzlich verfault, die Arme so lang wie die eines Affen – sich einen Weg aus dem schmutzigen, dampfenden Matsch bahnen.
    Die Geister erreichten die Gestalt, schwärmten über sie hinweg. Sie konnte noch einen einzigen, durchdringenden Schrei ausstoßen, dann wurde sie in Stücke gerissen.
     
    Am östlichen Horizont zeigte sich ein erster rötlicher Schimmer, als sie auf den Todesstreifen zurückkehrten. Das Lager erwachte bereits, die Anforderungen des Daseins lasteten schon wieder schwer auf geschundenen, müden Seelen. Auf den Wagen errichtete Schmiedefeuer wurden geschürt, frische Felle geschabt, Leder aufgespannt und ausgestanzt oder in großen geschwärzten Töpfen gekocht. Die Malazaner hatten ihr ganzes bisheriges Leben in Städten verbracht – jetzt mussten sie lernen, ihre Stadt mitzunehmen; oder zumindest die mageren Überreste, die lebensnotwendig waren.
    Duiker und die drei Waerlogas waren von altem Blut und klebrigen Fleischfetzen durchnässt. Ihr Erscheinen auf der Ebene war Beweis genug, dass sie Erfolg gehabt hatten, und die Wickaner stimmten ein Geheul an, das durch die Lager aller drei Clans lief; es klang gleichermaßen triumphierend wie klagend, die passende Totenklage, um den Sturz eines Gottes zu verkünden.
    Die Trauergesänge, die von den im Norden gelegenen Lagerplätzen der Semk herübergeklungen waren, waren verstummt, hatten einer unheilvollen Stille Platz gemacht.
    Tautropfen verdampften auf der Erde, und als der Historiker den Todesstreifen überquerte und zum Lager der Wickaner zurückkehrte, konnte er einen dunklen Nachhall zur Macht der Geister des Landes spüren. Am Rand des Lagers trennten sich die drei Waerlogas von ihm.
    Nur wenige Augenblicke später fand die nachhallende Macht eine Stimme, denn sämtliche Hunde in dem großen Lager fingen an zu heulen. Das Geheul war merkwürdig leblos und so kalt wie Eis, und es erfüllte die Luft wie ein Versprechen.
    Duiker verlangsamte seinen Schritt. Ein
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