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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gigantisches Unternehmen, das war es: Im Weg standen nur der Regenwald und die Indios.
    »Die Straße wird mitten durch das Gebiet der Yanomami führen«, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.
    »Möglich.« Der Chefingenieur hob die Schultern und sah den Pater kalt an. »Der Wald macht keine Schwierigkeiten, und die Indios … daran haben wir auch gedacht. Wir werden sie umsiedeln. Wir werden für sie Reservate anlegen. Genug Land ist ja vorhanden. Geplant ist, daß zu beiden Seiten der Straße Siedlungen entstehen, landwirtschaftliche Betriebe und Industriewerke, die die Bodenschätze auswerten. Hier bei Ihnen gibt es Eisenerz und Bauxit. Wußten Sie das nicht?«
    »Wir kümmern uns um die Menschen, nicht um die Bodenschätze.«
    »Das wird sich bald ändern. Wenn erst die Straße gebaut ist, wird Roraima eine der reichsten Provinzen Brasiliens sein. Sie ahnen ja gar nicht, was hier in der Erde verborgen ist.«
    »Sie wollen den Wald vernichten?«
    »Was heißt vernichten?« Der Chefingenieur wölbte die Oberlippe nach vorn. »Wir werden das Land kultivieren. Statt Bäume werden hier Banknoten wachsen. Nun weinen Sie nicht gleich. Es bleibt noch genug Grünzeug übrig.«
    Und die Perimetral Norte wurde durch den Regenwald geschlagen. Hunderte von Arbeitern und Abenteurern, Siedlern und Projektleitern der Industriewerke drangen in die bisher unberührte Natur vor, fällten die Bäume, vernichteten weite Gebiete durch Brand und vertrieben die Indios von ihren Heimatplätzen. Es gab die ersten Toten – nicht durch Gewalt, sondern durch eine Grippe- und Masern-Epidemie, die die ›Weißen‹ mitbrachten und gegen die ein Indio keine Abwehrstoffe in seinem Körper hat. Und die Malaria überfiel sie, Darminfektionen, Tuberkulose und immer wieder die Grippewellen.
    Pater Franco führte genau Buch über diese stille, schleichende Vernichtung der Indios. So schrieb er 1977 in seinem Bericht:
    »Von 278 Yanomami am oberen Rio Parima sind nur noch 85 am Leben. Die eingeschleppten Krankheiten, der Kontakt mit dem Heer von Arbeitern und Siedlern sind der Untergang einer ganzen Volksgruppe. Wir brauchen dringend noch einen Arzt und mindestens eine Schwester. In Roraima gibt es schätzungsweise 12.000 Yanomami. Sollen sie alle an den banalsten Krankheiten zugrunde gehen? Ich habe an die Gesundheitsbehörde in Manaus geschrieben, ich habe die Regierung in Brasilia und die FUNAI auf das Sterben der Indios aufmerksam gemacht. Ich habe um Hilfe gebeten. Man hat mir nicht geantwortet. Und nicht nur die Menschen, auch der Wald stirbt. 120.000 Quadratkilometer Regenwald sind schon gefällt oder verbrannt, und das Morden an der Natur geht weiter. Es ist ein Wahnsinn, was wir hier erleben. Die ganze Welt wird einmal darunter leiden.«
    Ja, und dann wurde 1986 das Gold gefunden. Gold unter den Baumriesen des Regenwaldes, Gold – so schätzte man – im Werte von 1 Billion 600 Millionen Dollar.
    Unfaßbar, geradezu betäubend, eine Zahl, die man sich nicht vorstellen konnte. Brasilien, das reichste Land der Welt. Man mußte nur die Erde aufgraben, sich hineinwühlen in die Tiefe und den Goldstaub auswaschen. In den Flüssen, mit Hilfe von Quecksilber. Und nun starb nicht nur der Regenwald, es starben auch die Flüsse. Das einstmals klare, saubere Wasser, das man unbesorgt trinken konnte, war verseucht.
    Als Pater Franco 1985 nach einem Gehirnschlag gestorben war, arbeiteten gerade 3.400 Straßenbauer und Siedler an der Perimetral Norte , der Tausende von Kilometer langen Wunde des Regenwaldes. Dann, als Pater Vincence Martinelli, der Nachfolger Francos, die Mission Santo Antônio übernahm, begannen die ersten Goldsucher und Spekulanten in das Gebiet einzudringen, wo man das Gold entdeckt hatte. Jetzt – 1987 – waren es über 80.000 Schürfer, die den Boden aufrissen und die Golderde wuschen. 80.000 moderne Sklaven, die für ein paar Minenbesitzer arbeiteten, die das Goldland unter sich aufgeteilt hatten. 80.000, die keine Gesetze kannten, regiert von einer Gold-Mafia, die in Manaus ihre Villen baute.
    Und täglich wurden es mehr. Hunderte kleiner Flugzeuge mit tollkühnen Piloten brachten die Garimpeiros von Boa Vista in den sterbenden Regenwald, Tag um Tag, eine neue Völkerwanderung auf der Suche nach dem Glück, nach El Dorado, dem sagenhaften Land, das nun Wirklichkeit geworden war.
    Mit ihnen kamen aber auch Mord und Vergewaltigung an den Rio Parima, Grausamkeit und der Kampf ums nackte Leben.
    Der Regenwald wurde erdrosselt
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