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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Projekt Radam-Brasil war eines der ganz großen Entwicklungsprojekte Brasiliens. Es ging darum, die riesigen unbekannten Gebiete Amazoniens, die man ›Leerräume‹ nannte, zu vermessen, ihre geologischen und hydrologischen Eigenarten zu erforschen, Karten anzufertigen und vor allem das Grenzgebiet zwischen Venezuela und Brasilien, das Territorium Roraima, in eine strategische und wirtschaftliche Konzeption zu bringen. Die staatliche Siedlungsbehörde INCRA drängte darauf, Detailkarten im Maßstab 1 : 100.000 zu bekommen, der Anfang einer Besiedlung und Erschließung, der Gründung von Industriezentren, Bergbaubetrieben und von Vieh- und Landwirtschaft in großem Stil. Der unermeßliche Reichtum an Mineralien unter dem Boden des Regenwaldes sollte gehoben werden, vor allem aber wollte man den Tausenden von Siedlern aus dem Süden und Osten Brasiliens, die unter erbärmlichsten Bedingungen und ohne Hoffnung auf Besserung dahinvegetierten, eine neue Heimat schaffen. Ein riesiges leeres Land grünte ungenutzt seit Jahrtausenden unter der Sonne, nur bewohnt von einigen Indianern. Man wollte es füllen mit Menschen, die anderswo täglich um ihr Leben kämpften.
    Ein gigantisches Projekt, jetzt noch auf dem Papier, aber in absehbarer Zeit eine Realität: 4.500 Kilometer Straßen sollten in den Regenwald geschlagen werden, zwölf Flughäfen sollten entstehen, vier Flußhäfen, große Wasserkraftwerke und eine Verhüttungsindustrie für Eisen und Aluminium. Bauxit, der Grundstoff für Aluminium, war unter dem Regenwald gefunden worden, dazu auch noch Eisenerz und Uran.
    Was war wichtiger: ein unberührter nutzloser Wald oder ein garantiertes Milliardengeschäft, das Brasiliens Weltschulden verringerte?
    Die Forscher blieben zwanzig Tage auf der Mission Santo Antônio. Mit ihren Hubschraubern überflogen sie das Hochland von Parima, knipsten Tausende von Fotos, vermaßen das ganze Land, untersuchten die Vegetation und erforschten die Nebenflüsse des Rio Parima, unternahmen Bodenbohrungen und stellten geologische Daten zusammen. Um die Indianer kümmerten sie sich kaum. Sie waren für sie wie die Tiere des Waldes, eine Spezies, die dem Menschen ähnelte. Auf sie kam es nicht an, das große Projekt der Urbarmachung war wichtiger.
    Als sie wieder zurück nach Manaus flogen, hinterließen sie eine große und bedrückende Nachdenklichkeit.
    »Jetzt ist unser Frieden vorbei«, sagte Pater Ernesto voll düsterer Ahnungen. »Das war der Anfang. Wenn sich die Politiker und Großgrundbesitzer für das Parima-Gebiet interessieren, wird das große Sterben beginnen wie in Mato Grosso, Para und Rondônia. Zuerst der Wald, dann die Tiere und am Schluß der Mensch. Und die ganze Welt schaut zu und schweigt. Was kümmert uns der Regenwald im fernen Brasilien, wird man sagen. Aber niemand denkt daran, daß die Lunge unserer Erde zerstört wird.«
    »Können wir es verhindern?« fragte Pater Franco, fast schon resignierend.
    »Man sollte es in die Welt hinausschreien!«
    »Ein taubes Ohr hört keinen Laut, und Milliarden in den Staatskassen untergraben die Moral. Hört der Rufer in der Wüste ein Echo?«
    Die Befürchtungen erhielten einen neuen Auftrieb, der den Patres und ihren Mitarbeitern das Herz zusammenkrampfen ließ. Im September 1972 wurde die Mission von einer Invasion überrollt: Mit Hubschraubern und kleinen Flugzeugen, die auf der kleinen, schmalen Piste von Santo Antônio landen konnten, und auf dem Fluß- und Landweg marschierte ein Bataillon Soldaten auf. Es war von Manaus nach Surucucu gebracht worden, war dort acht Tage lang im Dschungel trainiert und dann zum Rio Parima in Marsch gesetzt worden. Ein Coronel der Armee, der als erster mit einem Hubschrauber landete, begrüßte die Patres mit ziemlicher Zurückhaltung und sagte forsch:
    »Wir werden ein Manöver abhalten. Wir wollen erkunden, wie man die Grenze nach Venezuela sichern kann. General Camizo, der Kommandierende von Manaus, hat Ihre Mission als Hauptquartier bestimmt. Hier ist die Verfügung.«
    Er warf den Patres ein Schriftstück auf den Tisch, grüßte zackig und verließ wieder das Hauptgebäude, um die Landung der anderen Hubschrauber zu verfolgen.
    Hilflos sahen sich Franco und Ernesto an. »Ich werde in Manaus und in Brasilia protestieren«, sagte Pater Franco mit vor Erregung zitternder Stimme.
    »Es ist das Papier und die Zeit des Schreibens nicht wert.« Pater Ernesto fegte mit einer Handbewegung die Verfügung des Generals Camizo vom Tisch. Dann setzte
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