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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht zu sehen.«
    »Und wenn den Wagen jemand gesehen hat, wird er gedacht haben: ›Schnell vorbei. Da amüsiert sich der gute Ramos mit einem Indianermädchen. Bloß nicht stören. Man ist ja ein friedlicher Mensch.‹«
    »Und jetzt steht er noch immer da, Filipe.« Moaco öffnete die Tür und stieg aus dem grüngestrichenen Jeep. »Da stimmt etwas nicht.«
    Und so fanden sie an diesem frühen Morgen im Januar 1987 den Großgrundbesitzer Camilo Ramos. Er saß nicht in seinem Wagen, und er kam auch nicht aus dem Wald – er lag neben seinem Ranch Rover, auf dem Rücken, die Augen weit aufgerissen, die Finger in den Boden gekrallt, das Gesicht verzerrt, als habe er etwas Ekliges verschluckt, und steif in seiner Leichenstarre.
    Aus seiner Brust ragte ein langer Pfeil, dessen Ende mit zwei bunten Vogelfedern geschmückt war. Es waren die Flügelfedern einer Gelbnackenamazone, einer Papageienart der Amazonen, von der es dort sechsundzwanzig verschiedene Arten gibt. Das Sonderbarste aber: Der Pfeil war rot gestrichen: ein helles, leuchtendes Rot. Mit großer Wucht hatte er Ramos' Brust durchbohrt, stak bis zu einem Drittel in seinem Fleisch. Er mußte von einem schweren Bogen abgeschossen worden sein, den nur ein besonders kräftiger Mann spannen konnte.
    Moaco war der erste, der seine Sprache wiederfand. Perinha starrte noch immer stumm auf das Gesicht von Ramos.
    »O merda ! Merda !« fluchte er mit rauher Stimme. Was für eine verdammte Scheiße! »Das gibt wieder eine ungeheure Aufregung. Ausgerechnet Ramos! Da schaltet sich die Regierung ein, das wird ein politischer Skandal.« Moaco räusperte sich. Er warf noch einen Blick auf die lang hingestreckte Gestalt und atmete tief durch. »Und wieder ein roter Pfeil. Das ist jetzt das zwölftemal.« Über die Leiche gebeugt, entdeckte er erst jetzt, daß mit dem Pfeil ein Zettel auf die Brust von Ramos geheftet war.
    Moaco ging in die Hocke und las, was auf dem Zettel geschrieben stand, ohne ihn zu berühren:
    »Bestraft wegen Mordes an neun Yanomami und 240.000 Hektar vernichteten Waldes.«
    Moaco richtete sich auf und hieb mit der rechten Faust in seine linke Handfläche. »Immer das gleiche«, sagte er verbittert. »Bestraft … bestraft … bestraft! Wer, zum Teufel, nimmt sich hier das Recht heraus, jemanden mit dem Tod zu bestrafen?« Er sah zu Perinha hinüber, der nervös an seiner Unterlippe kaute. »Rufen wir auf der Station an, oder nehmen wir ihn mit?«
    »Wir packen ihn in den Ranch Rover. Unseren Wagen können wir später holen.« Perinha kratzte sich hinter dem Ohr. »Wie kann ein Mann wie Ramos auch allein herumfahren? Gerade hier!«
    »Bei seinen Goldgräbern war er beliebt. Er hat immer pünktlich den Lohn auszahlen lassen und eine Prämie bei einem guten Goldfund. Und das nicht mit Scheinen, sondern in reinem Goldstaub. Er hatte unter den Garimpeiros keine Feinde. Im Gegenteil, dort fühlte er sich sicherer als in Manaus.« Moaco machte eine Pause, bevor er weitersprach: »Ich konnte mit Senhor Ramos ein paarmal sprechen, er war ein harter, aber auch ein guter Mann. Nicht so ein Ausbeuter wie viele andere. Gerechtigkeit war ihm das Wichtigste in seinem Leben.«
    »Aber er scheint –« Perinha zeigte auf den Zettel unter dem Pfeil – »neun Yanomami getötet zu haben.«
    »Er nicht. Er bestimmt nicht, seine Leute vielleicht.« Moaco blickte in die starren Augen des Toten. Er beugte sich über Ramos und schloß ihm mit der rechten Handfläche die Augen. »Außerdem waren es ja nur Indianer …«
    Sie hoben Ramos vom Boden auf, trugen ihn zu seinem Ranch Rover und legten ihn auf die Hintersitze. Damit er bei einem plötzlichen Bremsen nicht herunterrollte, stopften sie einen großen, leeren Karton, der im Wagen lag, zwischen Vorder- und Hintersitz. Zum Zudecken der Leiche fanden sie nichts. Wer fährt schon bei 40 Grad Hitze mit einer Decke herum? Den roten Pfeil ließen sie in Ramos' Brust stecken. Der Tenente, der Polizeileutnant und Leiter der Station von Santo Antônio, der forsche Geraldo Ribateio, sollte sehen, wie tief der rote Pfeil in das Fleisch gedrungen war.
    Obwohl sie vorsichtig fuhren, wurden sie von der holprigen und vom Regen ausgewaschenen Straße gehörig durchgerüttelt. Viermal schon mußte Perinha Ramos' Leiche wieder auf die Rücksitze drücken.
    Er tat es vorsichtig, um den Pfeil in der Brust des Toten nicht abzubrechen oder sonstwie zu beschädigen. Dieser rote Pfeil, den sie nun schon so oft gesehen hatten, war ein Beweis,
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