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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Antônio.«
    Der vordere der vier, ein großer, schlanker Mann mit gewellten, schwarzen Haaren – Franco schätzte ihn auf Ende Dreißig –, nickte ihm kurz zu und antwortete:
    »Wir kommen unangemeldet, Pater. Dürfen wir trotzdem an Land?«
    »Ein jeder Gast ist uns willkommen, wenn er in Frieden zu uns findet. Ich bin Arlindo Beja.« Der Schwarzhaarige drehte sich zur Seite und stellte die anderen drei Männer vor.
    Pater Franco nahm die Namen nicht mehr wahr, wie ein Stich hatte die Antwort sein Herz getroffen. Arlindo Beja … wer kannte ihn nicht?! In Boa Vista lebte er, war der oberste Beamte der FUNAI im Distrikt Roraima, ein gefürchteter Mann, der eine weiße Villa mit einem säulenverzierten Eingang bewohnte, die er sich von seinem staatlichen Gehalt bestimmt nicht leisten konnte. Auch im Inneren der Villa, so erzählte man sich, war alles vom Besten, ein Luxus in dieser nördlichsten Ecke Brasiliens, wie er gar nicht denkbar war. Zweimal im Monat flog er nach Manaus; wenn er zurückkam nach Boa Vista, war er um einiges reicher. Er war voller Tatendrang und ein willenloser Befehlsempfänger der Großgrundbesitzer.
    Arlindo Beja … Pater Francos Gesicht blieb freundlich, er lächelte jetzt sogar und reichte Beja seine Hand. Der ergriff sie, hielt sie fest und sagte mit einem Grinsen, das Pater Franco richtig als unverschämt deutete:
    »Wir sind Beamte der FUNAI . Als man uns von der Mission Santo Antônio erzählte, konnten wir das kaum glauben. Sie haben sich hier ohne Erlaubnis angesiedelt, neben einem Stamm der Yanomami.«
    »Es war umgekehrt, Senhor Beja, die Yanomami kamen zu uns. Ist das hier nicht ein freies Land?«
    »Es ist Brasilien, Pater. Aber um das zu klären, sind wir ja gekommen. Wir bringen die Siedlungserlaubnis gleich mit.«
    »Das ist ein wertvolles Geschenk.« Pater Franco entzog seine Hand Bejas Griff. »Darf ich vorgehen? Unser Haus ist allen Freunden offen.«
    Sie betraten die Mission, setzten sich im langgestreckten Gemeinschaftsraum auf Bambusstühle, die beiden Hausgehilfen und ein Indianermädchen brachten Früchte, frischgebackenes Brot, gebratenes kaltes Affenfleisch und kalten schwarzen Kaffee und deckten damit den Tisch. Pater Ernesto kam in das Zimmer, begrüßte die Gäste mit einem »Gott sei mit euch!« und setzte sich an die Seite von Pater Franco. Es war wie bei einer Friedensverhandlung nach einem Krieg, den keiner gewonnen hatte: hier die Priester, dort die Beamten. Auch wenn man höflich miteinander war, wußte jeder von ihnen, was er vom anderen zu halten hatte. Das Lächeln war wie eine Maske, man spielte Theater. Aber es war keine Komödie, sondern ein lautloses Drama. Noch lautlos –
    »Wie groß ist der Stamm?« fragte Beja beiläufig und nahm einen Schluck von dem kalten Kaffee. Ein Kognak oder ein Glas weißer Rum wäre ihm lieber gewesen. Die Frage klang harmlos, aber hinter ihr lauerte die Gefahr. In Manaus hatten Spekulanten und Großgrundbesitzer zu ihm gesagt: »Arlindo, wenn es dort wirklich Gold gibt, sag es uns zuerst. Es soll dein Schaden nicht sein. Du verstehst, caro amigo …«
    »Wir haben einhundertneun Seelen gezählt«, antwortete Pater Franco. »Zweiundzwanzig mehr als 1965, als wir die Mission gründeten. Wir haben die Kindersterblichkeit verringert durch ein Mindestmaß an medizinischer Versorgung. Es ist aber noch viel zu tun. Es ist wie bei einem Tier: Man pflegt es, oder man läßt es verkommen. Aber das hier sind Menschen, Senhor Beja, auch wenn die Jahrhunderte an ihnen vorbeigegangen sind.«
    »Dafür sind wir von der FUNAI da … ein sterbendes Volk in die Zukunft zu retten.«
    Es klang gut, ein Satz wie aus einer Werbebroschüre, geschrieben für die übrige gutgläubige Welt und als Alibi für jede Kritik. Und wieder lächelte Beja, als wolle er stumm sagen: Mein lieber Pater, wir schmieren uns Honig ums Maul und würden uns lieber an die Gurgel fahren.
    »Gibt es noch mehr Stämme in der näheren Umgebung?« fuhr Beja fort.
    »Wir wissen es nicht. Aber wir vermuten es. Zweimal haben wir in den vergangenen zwei Jahren erlebt, daß die Krieger für ungefähr drei Wochen im Wald verschwanden und dann zurückkamen mit neuen jungen Frauen. Einige der Krieger waren verwundet, meistens Speerstiche oder Keulenschläge – mit Kurare vergiftete Pfeile hätten sie nicht überlebt. Wir haben sie auf der Krankenstation behandelt. Das deutet darauf hin, daß noch andere Stämme in der Nähe wohnen.«
    »Stammeskriege, Frauenraub … immer
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