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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er seinen rechten Fuß auf das Schriftstück und drehte ihn ein paarmal, als zertrete er ein Insekt. »Sie werden über uns lachen wie über einen dummen August.«
    Schon am zweiten Tag des Manövers wurden drei Yanomami-Mädchen von Soldaten vergewaltigt. Die Indios nahmen es schweigend hin. Aber drei Tage später kamen sechs Soldaten von einem Spähtrupp im nördlichen Wald nicht mehr zurück. Sie blieben spurlos verschwunden.
    Der Coronel, er hieß Martinho Grave, tobte und schrie herum. »Das waren die verfluchten Indios!« brüllte er die Patres an. »Ihre so lieben Yanomami!«
    »Haben Sie Beweise, Senhor Coronel?« fragte Pater Franco ihn ruhig.
    »Beweise? Was braucht es hier noch Beweise? Sechs meiner Männer sind im Wald verschollen! Männer, die den Dschungel kennen, die bestens ausgebildet waren, die ein Überlebenstraining hinter sich haben. Ermordet wurden sie, von Ihren Indios!«
    »Der Wald ist voller Geheimnisse, Senhor Coronel.« Pater Ernesto, der jetzt die Krankenstation mit einem Militärarzt und vier Sanitätern teilen mußte, blickte Grave treuherzig an. Er lernte in diesen Tagen viel von dem Militärarzt, sogar kleine Operationen wurden ausgeführt, bei denen er assistierte; nur kam es immer wieder zu Zusammenstößen, wenn kranke Indios zur ambulanten Behandlung kamen. Auch die Hängematten auf der Station blieben leer. Das Militär hatte einfach zwanzig Feldbetten in den Räumen aufgestellt und somit das kleine Krankenhaus zum Lazarett erklärt.
    »Nicht eine Mullbinde kriegen diese Dreckskerle von uns!« sagte der Arzt, als Pater Ernesto einen Yanomami verbinden wollte, der sich den Oberschenkel an Dornen aufgerissen hatte. »Nicht mal ein Heftpflaster bekommen die! Denken Sie daran: Alles, was wir mitgebracht haben, ist Staatseigentum! Vergreifen Sie sich bloß nicht daran!«
    »Sie sind doch Arzt«, erwiderte Pater Ernesto mit bewundernswerter Ruhe. »Und die Aufgabe des Arztes ist, den kranken Menschen zu helfen.«
    »Den Menschen … ja!« Eine tiefe Verachtung lag in der Stimme des Militärarztes. »Aber keinem Halbaffen. Ich bin Humanmediziner, aber kein Veterinär.«
    In diesem Augenblick bereute Pater Ernesto, ein Priester zu sein. Es zuckte in seinen Armen, zuzuschlagen, mitten hinein in dieses zynische Gesicht. Aber er konnte nur still hinter seinem Rücken die Hände zu Fäusten ballen.
    Die sechs verschollenen Soldaten wurden nie gefunden. Wer im Regenwald verschwindet, hinterläßt keine Spuren. Es war auch sinnlos, die Yanomami danach zu fragen. Sie schwiegen mit versteinerten Gesichtern, wenn sie von dem das Bataillon begleitenden Dolmetscher verhört wurden.
    »Man sollte sie einfach mit ein paar Maschinengewehrgarben ausrotten!« schrie Coronel Martinho Grave. Es war am Abend vor dem Ende des Manövers. Der Militärkoch hatte für die Offiziere einen saftigen Braten zubereitet, ein Wasserschwein, das man im Rio Parima geschossen hatte. Dazu gab es gedünstete Bananen, in Butter und Zucker kandiert. »Glauben Sie nicht, daß morgen, wenn wir wieder abziehen, der Fall erledigt ist. Nichts wird hier so bleiben, wie es heute ist! Sechs tapfere Soldaten sind ermordet worden, jawohl, ermordet, da gibt es gar keinen Zweifel mehr! Man wird diesen ganzen Indiostamm kassieren und nach Manaus bringen. Dort hat man Mittel, sie zum Sprechen zu bringen.«
    Aber es geschah nichts. Zwar verließen auf den Rat von Pater Franco die Yanomami ihre Malocas und zogen sich in den Wald zurück, wo sie niemand finden würde, aber nach einem halben Jahr waren sie wieder in ihrem Shabono, als seien sie nur für ein paar Tage zur Jagd gegangen. Ihr Vertrauen zu den Missionaren war grenzenlos und von einer kindlichen Einfalt.
    Doch es war eine trügerische Ruhe. Im September 1973 landeten plötzlich wieder drei Hubschrauber in Santo Antônio, kein Militär, sondern Abgesandte der INCRA . Von neuem breiteten Ingenieure und Geologen vor den Patres große Karten aus, auf denen mit einem dicken Strich eine fast gerade Linie gezogen war.
    »Jetzt beginnt eines der größten Projekte Brasiliens«, sagte einer der Ingenieure und fuhr mit dem Zeigefinger die rote Linie nach. »Hier wird eine Straße entstehen, die Perimetral Norte . Ein Projekt von größter strategischer Wichtigkeit. Die Straße wird von den Grenzen Kolumbiens bis zur Ostküste Brasiliens führen. Roraima wird der schwierigste Streckenabschnitt werden.«
    Pater Franco beugte sich über die Karten und starrte auf die eingezeichnete Trasse. Ein
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