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Das Rätsel deiner Leidenschaft

Das Rätsel deiner Leidenschaft

Titel: Das Rätsel deiner Leidenschaft
Autoren: Robyn DeHart
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Jahre ihres Lebens in einem Dorf verbracht hatte, war sie einfach noch nicht an die Geräusche der Stadt gewöhnt. Heute Nacht hätte sie schwören können, unter ihrem Fenster etwas rascheln zu hören. Sie holte tief Luft, hielt den Atem an und spitzte die Ohren. Da – da war es schon wieder! Vielleicht war es nur der Wind oder eine streunende Katze, aber sie konnte auf jeden Fall ein Geräusch hören.
    Ihre Ohren schienen jedes noch so kleine Geräusch wahrzunehmen. Vermutlich war da nichts, aber was, wenn doch etwas – oder jemand – da draußen herumschlich? Ein Dieb vielleicht. Oder ein Mörder? Schweiß rann ihren Rücken hinunter, und ihr drehte sich vor Unruhe der Magen um.
    Schließlich schwang sie die Beine aus dem Bett und lief auf bloßen Füßen aus ihrem winzigen Zimmer auf den Korridor hinaus, wo sie fast mit ihrer Tante zusammenstieß.
    »Hast du es auch gehört?«, fragte Lydia.
    »Ja«, flüsterte Sabine.
    »Ich glaube, draußen ist jemand.« Lydia hielt ihre Kerze vor sich, als sie in ihrem langen gelben Nachtgewand zur Treppe ging.
    Sie waren noch nicht einmal die Hälfte der Stufen hinuntergegangen, als auch Sabines andere beiden Tanten aus ihren Zimmern kamen. Zu viert schlichen sie ins Erdgeschoss hinunter, um nachzusehen.
    Lydia blieb am Fuß der Treppe stehen. »Das Geräusch«, flüsterte sie. »Es ist jetzt drinnen.«
    Sabines Herz verkrampfte sich vor Panik. Langsam schlichen die vier Frauen auf Zehenspitzen in den Lagerraum hinter ihrem Laden. Dort saß an einem kleinen Tisch ein Mann. Ein Eindringling!
    »Tut mir leid, dass ich euch geweckt habe«, sagte der Mann mit dünner Stimme.
    »Madigan?«, rief Lydia und eilte zu dem Mann.
    Die Erleichterung, die Sabine erfasste, war so groß, dass sie für einen Moment ins Taumeln kam. Ihre Tanten kannten diesen Eindringling.
    »Ja, ich bin's«, sagte er.
    »Du hast uns zu Tode erschreckt«, wies Agnes den Mann ärgerlich zurecht. Sie trug ihr blassrotes Haar zu einem losen Zopf geflochten, der ihr über die Schulter fiel.
    Der Mann schüttelte den Kopf und hustete. »Ich habe nicht viel Zeit. Ich bin gekommen, um das Kind zu warnen.«
    Lydia stellte ihre Kerze auf den Tisch und setzte sich auf den Stuhl neben dem Mann. »Calliope«, wandte sie sich an ihre jüngste Schwester. »Lass uns etwas mehr Licht hier drinnen machen.«
    Warmes Licht verbreitete sich im Zimmer, als Sabine mit ihrer Tante Calliope die Wandleuchten anzündete. Sie hatten sich die neumodischen elektrischen Lampen noch nicht leisten können, aber die alten brannten noch hell genug.
    Madigan, wie Lydia ihn genannt hatte, kauerte auf dem Stuhl und sah blass und leidend aus. Bei ihrem ersten genaueren Blick auf ihn zogen Sabines Tanten erschrocken den Atem ein.
    »Was ist mit dir passiert?«, fragte Agnes und rückte näher an ihn heran.
    Calliope zog eine Flasche ihres selbstgebrannten Whiskys hinter einem Schrank hervor und schenkte ihm ein Glas ein. »Du siehst nicht gut aus, alter Freund.«
    Sabines drei Tanten kannten diesen Mann, und doch hatte sie selbst ihn weder je gesehen noch von ihm gehört. Und sie hatte ihr ganzes Leben mit diesen Frauen verbracht. Selbst als ihre Eltern noch gelebt hatten, waren ihre Tanten immer da gewesen. Sabine war sich ganz sicher, dass er nicht aus ihrem Dorf stammte. Aber auch hier in London hatte sie ihn noch nie gesehen, und immerhin waren sie mit ihrem kleinen Laden schon fast ein Jahr hier in der Stadt.
    Madigan trank den Whisky und nickte dann Sabine zu. »Kommt alle mal her.«
    Sabine lag schon eine scharfe Antwort auf der Zunge, weil sie diesen Mann nicht kannte, aber Tante Lydia schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, Kind«, sagte sie.
    Sabine nickte und setzte sich auf den Stuhl, auf den Lydia gewiesen hatte. Agnes nahm ebenfalls am Tisch Platz, während Calliope, die Flasche Whisky in Händen, stehen blieb.
    Madigan war ein großer, breitschultriger Mann mit welligem dunklem Haar und einem Bart, der viel von seinem Gesicht verdeckte. Seine braunen Augen blickten freundlich.
    »Ich habe euch viel zu erzählen, aber nur wenig Zeit«, sagte er mit heiserer Stimme. Dann hustete er wieder und krümmte sich dabei vor Schmerz.
    »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, fragte Sabine. »Wir sind so etwas wie Heilerinnen. Calliope«, wandte sie sich an ihre Tante, »könntest du meinen Kasten holen? Er steht gleich hinter dir in dem Regal.«
    Der Mann streckte eine Hand aus, um Calliope zurückzuhalten. »Es gibt nichts, was ihr tun
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