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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück
Autoren: Brigitte Riebe
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werde, dass ich eine hektische Ganzkörperbefleckung bekomme und quasi aus dem Stand an die Decke springen kann.«
    Lumpi kam mit zwei vollen Tassen und einem verführerisch duftenden Bienenstich zurück.
    Â»Brauch’ ich jetzt einfach«, sagte er und säbelte das beeindruckende Kuchenstück fürsorglich in der Mitte durch. »Immer wenn ich von dem Alten eins auf die Rübe kriege, muss ich essen. Hilft sofort. Ehrlich!« Er hatte ihren gierigen Blick sehr wohl bemerkt. »Du auch? Komm schon, du darfst doch!«
    Mandelguss, Teig und Creme verbanden sich auf der Zunge zu einem überwältigenden Ergebnis. Süß, weich und tröstlich, genau wie Lumpi es gesagt hatte. Ob sie Hannes doch auf seiner Station anrufen und sich bei ihm entschuldigen sollte?
    Mit der Kraft kehrte allerdings auch der Trotz zurück. Wofür eigentlich? Dass sie doch tatsächlich die Unverschämtheit besaß, so etwas wie Ansprüche an ihn zu stellen? Und nach drei Jahren Beziehung wagte, an ein freies Wochenende mit ihm zu denken? Dass sie sich nach seiner Aufmerksamkeit sehnte? Dass sie ihn schließlich – leider das Schlimmste von allem – trotz all seiner Ticks noch immer von ganzem Herzen liebte?
    Sofies Haselnussaugen waren beinahe schwarz geworden, wie immer, wenn sie sich ärgerte. Die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken zogen sich zu einer bräunlichen Milchstraße zusammen. Hoch empört! Vermutlich empfand ihr flüchtiger Doktor in spe es schon als Zumutung, dass sie überhaupt existierte. Viel zu lange war er schon daran gewöhnt, dass sie wie ein trauriges Hündchen zu Hause herumhockte und ihre Zeit mit Warten verbrachte, während ihn unaufschiebbare Pflichten an die verschiedensten Fronten riefen. Aber sie konnte auch anders!
    Â»Was würdest du machen, wenn du mein Geliebter wärst, Lumpi? Und wir beide in einer Wohnung zusammenlebten?«
    Er verschluckte sich auf der Stelle.
    Â»Du meinst, wenn ich …«, brachte er schließlich hervor.
    Sie nickte.
    Â»Wöchentlich einmal auf den Knien zur Heiligen Jungfrau wallfahren! Ein sagenhaftes Opernlibretto verfassen! Den Quantensprung neu erfinden! Dir alle Sterne einzeln vom Himmel holen.« Sein Doppelkinn bebte emphatisch. Wasserblaue, fast kindliche Augen sahen sie melancholisch an. »Soll ich fortfahren?«
    Â»Ich meine es ausnahmsweise ernst. Bitte!«
    Aus ebenso unerfindlichen wie blödsinnigen Gründen war Sofie auf einmal ganz nah am Flennen. Was hieß nah? Sie weinte bereits und brachte es nicht über sich, länger in Lumpis liebes, besorgtes Gesicht zu schauen. Selber schuld! flüsterte das kleine Teufelchen in ihrem rechten Ohr. Wieso fragst du ihn auch! Ausgerechnet ihn! Weißt doch ganz genau, wie sehr er dich mag!
    Â»Dein Hannes ist ein ausgemachter Idiot.« Lumpi klang auf einmal sehr ernst. »Borniert. Undankbar. Heillos bekloppt. Ist es das, was du von mir hören wolltest?« Er holte sein Taschentuch heraus und reichte es ihr. »Nichts wirklich Neues, oder? Wissen wir doch bereits.«
    Â»Nein.« Sie schnäuzte sich. »Du hast recht. Wissen wir.«
    Â»Na prima! Dann würde ich mir an deiner Stelle zur Abwechslung mal einen Kerl suchen, der nicht ständig wegrennen muss, sondern sich stattdessen freut, wenn er mit dir zusammensein darf. Schon mal daran gedacht? Es gibt solche Männer. Haufenweise sogar, wie ich behaupten möchte. Du musst nur die Augen aufmachen. Dafür allerdings, liebste Sofie, bist du ganz allein zuständig. Niemand kann dir diese Aufgabe abnehmen.«
    Lumpi stand auf und ging an seinen Schreibtisch zurück. Schlurfend, mit hängenden Schultern. Sogar seinem fleischigen Rücken war anzusehen, wie sehr sie ihn gekränkt hatte.
    Seufzend wandte Sofie sich wieder ihren Recherchen zu. Es würde Tage dauern, bis er wieder entleidigt war. Das bedeutete tödlich langweilige Mittagessen im Kreis der Kolleginnen ohne seine herzerfrischenden Zwischenbemerkungen, keine süßen Teilchen mehr am Nachmittag, wenn der Blutzuckerspiegel so sank, dass sie sich auf nichts mehr konzentrieren konnte, ganz zu schweigen von einem belebenden Gläschen Sekt am frühen Abend, bevor sie zum Endspurt ansetzte und in der Regel die besten Sätze in den Computer tippte. Nahm man es genau, konnte Lumpi mindestens ebenso empfindlich sein wie Hannes.
    Männer!, dachte sie resigniert, bevor sie die
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