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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück
Autoren: Brigitte Riebe
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schließlich mit leiser Resignation. »Wenn es unbedingt sein muss. Aber keine Sekunde eher. Und nur, wenn Sie frische Hörnchen zum Frühstück mitbringen. Außerdem sollten Sie Ihre Kleine …« Er streifte Feli kurz mit einem sorgenvollen Blick. »Mein Boss steht, ehrlich gesagt, nicht besonders auf Kinder. Und auf so quirlige wie Ihre Tochter bestimmt nicht. Vielleicht können Sie sie für die kurze Zeit irgendwo unterbringen? Wenn Ihr Gatte vielleicht freundlicherweise einspringen würde?«
    Â»Ich bin Witwe, Herr Häusler. Mag Ihr Boss die vielleicht auch nicht?«
    Er errötete abermals und deutlich tiefer als zuvor. »Verzeihen Sie bitte, ich wollte wirklich nicht …«
    Â»Keine Ursache. Woher sollten Sie das auch wissen?« Linda brachte sogar ein Lächeln zustande. »Sie werden sich wundern, wie kinderlos ich wirken kann!« Vielleicht würde die nette Besitzerin der Blumenboutique im Hotel ja nach Feli schauen. Obwohl Linda beim Gedanken daran, was ihre Tochter binnen einer Stunde in dem penibel ausgestatteten Laden anrichten konnte, leicht schwummerig wurde. Sie gab sich trotzdem zuversichtlich. Nur nicht so kurz vor dem Ziel die Waffen strecken! »Also dann, Herr Häusler. Die Hörnchen und ich werden pünktlich sein.«
    Sein Lächeln war wirklich umwerfend. Schade, dass sie schon viel zu lange so wenig empfänglich für derartige Bemühungen war.
    Â»Bis Montag dann, Frau Becker!«
    Â»Bis Montag. Ich freue mich!«
    Â»Kommst du uns dann auch bald mal besuchen, Herr Häusler?«, fragte Feli treuherzig. »Mami und ich kennen hier nämlich niemanden.«
    Jetzt konnte Linda keine Spur von Verlegenheit in dem gut geschnittenen Gesicht des Mannes feststellen. Seine Antwort kam glatt und leicht. Trotzdem brachte er das Kunststück fertig, durchaus glaubwürdig zu klingen, sogar ein bisschen freudig überrascht.
    Â»Natürlich, Feli. Wenn ihr mich einladet – gern! Außerdem heiße ich Robert. Und Robbie für meine Freunde.« Er zwinkerte ihr zu.
    Â»Machen wir, Mami, oder? Wir laden doch Robbie ein? Ganz bald?«
    Linda blieb fürs erste die Antwort schuldig und sah lieber aus dem Fenster. Die beiden Schwalben von vorhin schienen genug von ihrem Spiel zu haben und schraubten sich Seite an Seite hinauf in den Abendhimmel, der sich allmählich rötete.

2
    Â»Das soll ein Artikel sein? Etwas Sinn-, nein, Kunstvolles, von kundiger Menschenhand verfasst?«
    Alarmstufe siebeneinhalb. Mindestens! Otto Wolfram Piller, der graumelierte Verleger von ALINA, lief wieder einmal zur Höchstform auf. Unschwer daran zu erkennen, dass er seine Lieblingsikone an die Brust drückte und die Stimme sich längst zum Stakkato gesteigert hatte. Irgendwann einmal in grauer Vorzeit war er fast zufällig in einen kurzen, leider ziemlich einseitigen Schriftverkehr mit dem blutjungen Thomas Bernhard getreten. Seitdem hütete er dessen einziges, aber kongeniales Antwortschreiben verbissener als den Schatz der Nibelungen und setzte es in Konfliktfällen als Banner ein gegen die Unwissenheit, Faulheit und Borniertheit seiner gesamten Redaktion.
    Â»Dass ich nicht lache!«
    Angewidert wies er auf ein Blatt Papier, soeben frisch dem Drucker entschlüpft und ihm ausnahmsweise zur Lektüre vorgelegt. Lumpi Wagner vom Ressort Reisen & Erleben versuchte sich unsichtbar zu machen, was bei seinen knapp eins neunzig und der entsprechenden Menge Kilos nur bedingt gelang.
    Die anderen Umstehenden duckten sich. Pille, wie er allgemein genannt wurde, verfügte, wenn er sich nur ein bisschen Mühe gab, über handfeste Lamaqualitäten. Und wirklich, heute spuckte er treffsicherer um sich denn je.
    Â»Geschreibsel wie dieses verdient, nicht einmal entfernt so genannt zu werden!« Hektisches, kurzatmiges Schnaufen. Er deutete auf die knappen, dank Dauergebrauchs bereits leicht verwischten Zeilen des inzwischen leider verstorbenen Großmeisters. » Das hier ist ein Text, jawohl. Das ist Literatur! Pure, reinste Kunst – und alles andere Schrott. Das atmet Genialität und sonst gar nichts!«
    Bühnenreif sank er auf seinem Stuhl in sich zusammen und schlug die Hände vor das inzwischen vollere, aber immer noch attraktive Gesicht.
    Â»Wieso bin ausgerechnet ich mit dieser Bande von Banausen geschlagen?«, flüsterte er verzweifelt. »Gütiger Herr im Himmel, tu mir die Liebe und
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