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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück
Autoren: Brigitte Riebe
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Nummer des nächsten Bubi-Serienstars wählte, der angeblich bei seiner Agentin auf ihren Anruf wartete. Zum dritten Mal übrigens. Sie konnte nur hoffen, dass es heute endlich klappen würde. Die letzten beiden Versuche waren trotz gewissenhafter Vorbereitung von ihrer Seite doch noch im letzten Augenblick geplatzt.
    Man muss Männer schon sehr lieben, um einen Mann zu lieben.
    Ständig besetzt. Sie drückte unverdrossen die Wiederholtaste. Ihr Daumen fühlte sich schon ganz taub an. Wo hatte sie dies erst neulich gelesen?
    Als endlich das Freizeichen ertönte und sich die nasale Stimme der chronisch unfreundlichen Agentursekretärin meldete, fiel es ihr wieder ein. Sofie März spulte ihr Sprüchlein ab.
    Na-tür-lich würde sie dranbleiben! Und lie-bend ger-ne selbst-re-dend noch dazu.
    Marguerite Duras, von der dieser Ausspruch stammt, dachte sie während der lästigen Wartezeit, die, wie sie genau registrierte, von Anruf zu Anruf immer noch länger wurde, muss sich wirklich verdammt gut mit euch Kerlen im allgemeinen und besonderen ausgekannt haben, um zu dieser weisen Erkenntnis zu gelangen!

3
    Sie schlief schlecht in dieser ersten Nacht zwischen den zahllosen unausgepackten Umzugskisten und den Möbelstücken aus ihrer Zeit mit Micha, die in der großzügigen Altbauwohnung allerdings auf einmal ihre vertrauten Proportionen verloren hatten und fast schon mickrig wirkten. Aber sie liebte diese neuen Räume mit den hohen Decken und der Flügeltür, die ihr viel Platz zum Atmen und Träumen ließen. Dafür war der Küchentisch aus Bad Homburg für die wenigen Quadratmeter leider viel zu lang. Linda hatte ihn trotzdem aufgestellt. Ein schöner, solider Tisch, so ihre Erfahrung, war unweigerlich das Zentrum und damit Herz jedes Haushalts, fast wie in alten Zeiten das Herdfeuer, um das sich von jeher alle Müden, Hungrigen und Trostsuchenden geschart hatten. Außerdem kochte sie gern und liebte es, Freunde großzügig und abwechslungsreich zu bewirten. Sie musste nur so schnell wie möglich einen Schreiner in der Umgebung ausfindig machen, der den Tisch entsprechend kürzte.
    Seit den Morgenstunden fiel starker Regen, und das Blechdach direkt über ihnen verstärkte das gleichmäßige Rauschen zu beeindruckendem Prasseln. Es war, als ob die Welt da draußen unaufhaltsam in Nässe versinke, während bei ihnen drinnen alles warm, trocken und sicher war. Feli neben ihr hatte sich ordentlich breitgemacht und beanspruchte fast zwei Drittel des Bettes. Sie schlief auf dem Rücken, beide Hände zu Fäusten geballt, die hohe, blasse Stirn gekraust wie bei einem Stück harter Arbeit. Im weichen Licht der einsetzenden Dämmerung hatten die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken Ähnlichkeit mit der Zeichnung von Marienkäfern. Ab und zu seufzte sie leise, dann drang ein gurgelnder Schnarchton aus ihrem halb geöffneten Mund: die leidigen Polypen, die ihr schon seit Babytagen zu schaffen machten!
    Linda hätte den Routineeingriff eigentlich längst vornehmen lassen sollen. Aber die Vorstellung, ihre Kleine einem blitzenden OP anzuvertrauen, bereitete ihr Beklemmung und akutes Herzrasen. Seit Michas Unfall war alles, was auch nur entfernt mit Krankenhaus zu tun hatte, ein rotes Tuch für sie.
    Zärtlich drehte sie Feli zur Seite, was die kleine Schläferin mit einem unwilligen Brummen kommentierte, und stand auf. Der Kühlschrank war leer bis auf zwei Packungen Milch, ein Stückchen Käse und ein paar Joghurts. Sie war gestern viel zu müde gewesen, um noch etwas einzukaufen, nachdem die Möbelpacker Stück für Stück hinauf in den vierten Stock geschleppt hatten. Linda beschloss, mit ihrer Tochter in eines der vielen Cafés zum Frühstücken zu gehen, die sie bei ihrem ersten Erkundungsgang im Viertel schon entdeckt hatte. Anschließend konnte sie sich dann mit neuer Kraft dem Auspacken widmen und dringend anstehende Probleme angehen, die sie schon seit Wochen ungelöst vor sich herschob.
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie trank die Tüte aus, ritzte die zweite mit dem Fingernagel an und nahm noch einen kräftigen Schluck. Sie schüttelte sich. Es wurde eher schlimmer. Gegen Existenzsorgen, einen fehlenden Kindergartenplatz, Einsamkeit und Angst vor der eigenen Courage half eben nicht einmal kalte Milch!
    Â»Mami! Mami, wo bist du?«
    Es war lange her, dass Feli beim Aufwachen
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