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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück
Autoren: Brigitte Riebe
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verrat mir, weshalb nur!«
    Nichts als Routine. Beinahe jede Woche das gleiche Spiel. Alle waren inzwischen an ihre Schreibtische zurückgekehrt in der Hoffnung, das Gewitter möge bald seinen Zenit erreicht haben. Sofie März wusste nicht, was ihr mehr auf den Geist ging: ihr hartnäckiges PMS oder Pilles sinnloses Getobe. Vielleicht war es doch ein Fehler, dachte sie, während sie brav das vorgeschriebene Quantum an garantiert pflanzlich-bekömmlichen Nachtschattenkapseln schluckte, um so lästige Phänomene wie Brustspannen, Sexmüdigkeit und allumfassenden Lebensüberdruss in den kritischen Tagen vor den Tagen zu bekämpfen, dass ich damals nicht die freie Stelle in der Hamburger Lifestyle-Redaktion angenommen habe. Italienische Korbmöbel, gewachste Olivenholzlandhaustische und javanische Ikats sind auf die Dauer vielleicht auch nicht das Wahre, aber sie können wenigstens nicht reden. Und mich mit Anrufen nerven.
    Auf Wunsch der Chefredakteurin Bina Moll saß sie an einer Story über männliche Serienstars im Teenie-Alter und ihre weiblichen Fans. »Der Traumprinz der neunziger Jahre – und wer ihn garantiert alles nicht kriegt.«
    Oder so ähnlich.
    Klang zum Steinerweichen! Nicht einmal eine halbwegs pfiffige Headline fiel ihr zu diesem Unsinn ein. Von einem spannenden Aufmacher ganz zu schweigen. Sie war die Geschichte gründlich leid, bevor sie eigentlich richtig damit begonnen hatte. Die Mädchen, die sie interviewte, waren naiv und so unbedarft, dass ihr fast die Fragen ausgingen, die Möchtegern-Heroes altklug, dummdreist, aber dabei ganz und gar von sich überzeugt. Nichts als dünnste Allgemeinplätze, was sie geliefert bekam, abgedroschene Hoffnungsblasen, all der Quark, den ihre Freundinnen und sie schon vor fünfzehn Jahren in pubertären Gefühlsaufwallungen produziert hatten. Es bereitete ihr Mühe, aus den mitgeschnittenen Bändern auch nur ein paar brauchbare Sätze zu destillieren. Wahrscheinlich, weil sie sich permanent fragte, wozu eigentlich.
    Â»Wollt ihr verbohrten Anfänger denn nun wirklich arbeiten, oder wollt ihr es nicht?« Bingo – da war sie endlich, Pilles unvermeidliche Frage, auf die alle schon gewartet hatten! Sie kannten ihn zur Genüge. Und wussten sofort, was dran war.
    Â»Klar, wollen wir!«, schallte es im Chor zurück. »Und wie!«
    Â»Na denn, Leinen los! Schiff ahoi!« Der Boss befand sich nach einem letzten vernichtenden Blick in Richtung Lumpi Wagner schon halb auf dem Rückzug in sein oberstes Stockwerk, die Landebrücke, von der aus er, wie er gern betonte, den Megaüberblick über das hatte, was in den Räumen unter ihm geschah. »Pille sieht alles, hört alles, weiß alles« – Hauptsache, wenigstens er glaubte daran!
    Sofie März fühlte sich müde, klebrig, uninspiriert. Mehr als angefressen. Und sie wusste nur zu genau, weshalb. Der Job war im Moment das kleinere Übel, und der dämliche Artikel, über dem sie brütete, nicht mehr als das berühmte Tüpfelchen auf dem i. Was ihre Seele wirklich in Schieflage gebracht hatte, war selbstredend männlich, trug die blonden Haare zipfelig lang, tat, als ob sie eine Mischung aus Garderobenständer und Fernsehprogramm wäre, und flüchtete Tag und Nacht in Arbeit. Nicht einmal richtig streiten konnten sie noch miteinander. Dafür schwiegen sie sich an.
    Was nur eines bedeuten konnte: Zwischen ihr und Hannes, ihrem Lebensgefährten, war die Luft gefährlich dünn geworden.
    Â»Auch einen frischen Kaffee, Sofie?«
    Lumpi Wagner, mit Abstand der netteste ihrer Kollegen, hatte den öffentlichen Anpfiff offenbar fast schon vergessen. Es schien ihm nichts auszumachen, dass kein Mensch ihn Ludwig nannte, Schnorrer ihn ständig anpumpten und alle Frauen in der Redaktion sich zwar regelmäßig an seiner breiten Schulter ausweinten, aber nicht im Traum daran dachten, jemals mit ihm ins Bett zu gehen. Zumindest, wenn man nicht zu genau hinsah. In Wahrheit war er ein Sensibelchen in Reinkultur, getarnt als freundlicher Pfundskerl, den nichts so leicht aus der Ruhe bringen konnte.
    Â»Meinetwegen«, sagte sie seufzend und warf den dicken roten Zopf nach hinten. Vorn hatten sich die widerspenstigen Locken ohnehin schon längst aus der strengen Frisur gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht wie eine feurige Aureole. »Auch wenn ich dann vermutlich so nervös
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