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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle
Autoren: Deborah Hale
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uns gehen, bevor meine Zweifel doch noch die Oberhand gewinnen. Vielleicht können wir ihnen entkommen, wenn wir uns beeilen.”
    Bevor er – oder sie – es sich anders überlegen konnte, stand Maura auf und griff nach seinem Arm, um sich erneut auf den Weg zu machen. Sie konnte nur hoffen, dass das Schicksal sich nicht gegen sie wenden würde.

2. KAPITEL
    W ährend sie sich über die schmalen Steinstufen neben dem Wasserfall ihren Weg nach unten suchten, versuchte Rath die Erinnerung zu verdrängen, die Mauras Worte in ihm geweckt hatten. Die Erinnerung an jenen Tag im Wald von Betchwood, als es ihm nicht gelungen war, seine Gruppe von Gesetzlosen lange genug beisammenzuhalten.
    Er sagte sich, dass er damals alles Menschenmögliche getan hatte, doch seine Männer hatten nur an sich gedacht und nur für sich gehandelt. Als einige von ihnen panisch davonliefen, war das den anderen zum Verhängnis geworden. Seitdem zog er es vor, allein zu bleiben. Auf sich konnte er immer zählen. Aber genauso wenig wie ein Regentropfen einen Buschbrand löschen konnte, konnte ein einzelner Mann die hanische Armee schlagen, die Umbria besetzte.
    Am Ende der Felsentreppe entdeckte er einen ausgehöhlten Stein, in dessen Mulde sich Wasser angesammelt hatte. “Können wir wenigstens einen Moment stehen bleiben, um etwas zu trinken?”, fragte er Maura.
    Sie nickte und beugte sich vor, um Wasser in die hohle Hand zu schöpfen. “Ein weiser Gesetzloser lehrte mich einst, dass ich immer essen, trinken und ausruhen soll, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Sonst würde ich riskieren, gerade dann hungrig, durstig und müde zu sein, wenn ich es mir überhaupt nicht erlauben kann.”
    Trotz all der Sorgen, die ihn bedrückten, merkte Rath, dass sich seine Lippen zu einem ironischen Grinsen verzogen. “Wenn du wissen willst, wie man überlebt, frag am besten einen Gesetzlosen.”
    Maura lachte hell auf. “Das werde ich, Gesetzlose.”
    Als sie das Wasser aus ihrer Hand schlürfte, beugte auch Rath sich vor, um zu trinken. Noch nie hatte er so etwas geschmeckt! Wenn Mauras Lebenslust einen Geschmack gehabt hätte, hätte sie so schmecken müssen – sauber und gesund, mit einem wilden, lebendigen Aroma, das mehr als nur den Durst löschte. Zumindest für den Moment schien das Wasser seine bösen Vorahnungen und seine Zweifel zu beruhigen und durch aufkeimende Hoffnung und zaghaftes Vertrauen zu ersetzen.
    “Das ist besser als Bier!” Er trank, bis er nicht mehr konnte. Dann füllte er seinen Trinkschlauch und riet Maura, dasselbe zu tun. “Glaubst du, wir haben genügend Zeit für eine kleine Wäsche, bevor wir uns auf den Weg nach Duskport machen?”, fragte er und zeigte mit den Daumen auf den Wasserfall und das kleine Becken zu seinen Füßen.
    “Die Botschaft lautet: 'Kommt sofort'“, erinnerte ihn Maura. “Und außerdem fürchte ich, je länger wir herumtrödeln, desto schwerer wird es uns fallen, aufzubrechen. Wer weiß, vielleicht sind wir schon länger hier, als wir denken. Hast du mir nicht erzählt, die Leute behaupten, im Ewigen Wald verginge die Zeit langsamer und was einem wie einige Stunden vorkomme, könnten in der Welt draußen Monate oder Jahre sein?”
    “Aye.” Rath zwang sich, dem einladenden Becken den Rücken zuzukehren, und ging auf eine riesige Lebenskiefer zu, die in einiger Entfernung stand. “Solche Geschichten habe ich immer für fantastischen Unsinn gehalten. Jetzt, nachdem ich hier war, bin ich mir da allerdings nicht mehr so sicher.”
    “Wie schade, dass es nicht umgekehrt ist.” Maura beeilte sich, ihn einzuholen. “Dann hätten wir hier ewig herumtrödeln können und draußen wären nur ein oder zwei Stunden vergangen.”
    “Das wäre wirklich schön gewesen.” Rath griff nach ihrer Hand.
    Zusammen folgten sie dem Weg, den sechs große Lebenskiefern ihnen wiesen, bis sie zu dem Pfad gelangten, den sie in der Nacht zuvor gegangen waren. Ab und zu blieb Maura stehen und pflückte Blüten und Blätter einiger ungewöhnlicher Pflanzen.
    “Vielleicht kann mir einer der vestanischen Zauberer sagen, welche magischen oder auch heilenden Eigenschaften sie möglicherweise besitzen.” Sie stopfte einen Busch winziger roter, glockenförmiger Blümchen in eine der vielen Taschen des Schultergurts, den sie über ihrer Tunika trug.
    Auch Rath fragte sich, was diese unschuldig aussehenden kleinen Blüten wohl bewirken mochten – ihm den Mund verschließen oder ihn in eine tödliche Ohnmacht stürzen?
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