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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle
Autoren: Deborah Hale
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zustimmendes Knurren hören. So sehr er Maura auch liebte, er mochte es nicht, wenn sie recht hatte.
    “Ich glaube nicht, dass die Zauberer von Vestan meine Aufgabe für einen Spaziergang hielten. Ihre Botschaft hier ist nur ein Zeichen, dass sie an meinen Sieg glauben. Nun warten sie, halten nach uns Ausschau und fürchten womöglich, dass wir nicht zu ihnen kommen.”
    Rath deutete zum Himmel, in dem der Botenvogel verschwunden war. “Wenn dieser Bursche ohne das Pergament an seinem Bein zurückkehrt, dürften sie Grund zur Hoffnung haben.”
    “Stimmt.” Mit der Geste eines müden Arbeiters, der sich erneut eine Bürde auflädt, griff Maura nach Raths Hand. “Ein Grund mehr, nicht zu zaudern.”
    “Warum denn nicht?”, fragte Rath. “Vor ein paar Tagen warst du halbtot, und ich habe noch nicht lange die Minen verlassen. Wer kann uns das Recht auf ein wenig wohlverdiente Ruhe und eine gemeinsame Zeit streitig machen? Umbria hat tausend Jahre auf den König gewartet. Kann es nicht noch ein paar Tage länger warten?” Er runzelte die Stirn. “Warum müssen wir das alles tun, Maura? Kein halbwegs vernünftiger Mensch käme auf die Idee, dass wir beide ein ganzes Königreich befreien können. Wer glauben diese Zauberer auf den Inseln und ihre Orakel eigentlich zu sein, dass sie nach all den Jahren des Nichtstuns jetzt
uns
diese unmögliche Aufgabe aufbürden? Sollen sie sich doch zum Teufel scheren. Das ist jedenfalls meine Meinung.”
    Dass er ihr nicht wie ein braves Hündchen folgte, nahm Maura zum Anlass, einfach alleine loszuziehen. “Das meinst du bestimmt nicht so.”
    “Doch, das meine ich allerdings so.” Rath blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. “Wieso nicht?”
    Maura wirbelte herum. Ihre sonst so sanft blickenden Augen waren jetzt so hart geworden wie funkelnde Diamanten. Seit dem Tag, als er sie über den Raynorsgraben gelockt hatte, hatte sie ihn nicht mehr so angesehen. So albern es auch schien – diesen Blick hatte er vermisst.
    “Wo ist der Mann, der mich letzte Nacht zu dieser Lichtung brachte?” Sie sah sich um und tat, als würde sie nach jemandem Ausschau halten. “Der Mann, der sich mir als mein Krieger anbot? Der Mann, der versprach, mit mir überall hinzugehen? Der gelobte, alles für mich zu tun?”
    Rath brummte etwas Unverständliches. Wenn er etwas noch mehr hasste als Maura recht geben zu müssen, dann ihr Talent, seine eigenen Worte gegen ihn zu richten. “Das war etwas anderes.”
    “Wieso? War dein Treueschwur nur leeres Gerede?” Aus ihrer verächtlichen Frage hörte er deutlich bittere Enttäuschung heraus.
    “Ich habe es so gemeint – jedes Wort!” Wie sollte er nur in Worte fassen, was sich seitdem alles geändert hatte? “Auch ich bin davon ausgegangen, einen mächtigen legendären Kriegerkönig zu finden. Euch beiden hätte ich mit Freuden gedient, hätte meine kleine Rolle in der erfolgreichen Schlacht gegen die Han gespielt.” Er stieß einen tiefen Seufzer aus. “Aber es gibt keinen unbesiegbaren Kriegerkönig. Es gibt nur dich und mich. Entweder ist da etwas schiefgelaufen oder diese ganze Geschichte vom Wartenden König ist nur ein uralter Witz. Ich jedenfalls kann auf keinen Fall das tun, was das Volk von König Elzaban erwartet.”
    Mauras finster gerunzelte Stirn glättete sich etwas. Vielleicht erinnerte sie sich an ihre eigene Furcht vor dem Versagen zu Beginn ihrer Suche. Rath hatte in seinem Leben oft genug unfaire Kämpfe ausgefochten und wusste genau, dass er jetzt, wo ihre Entschlossenheit ins Wanken geraten war, erbarmungslos zuschlagen musste.
    “Wem soll unser Tod nutzen? Nach einem misslungenen Aufstand werden die Han noch mehr Gewalt ausüben. Und das wird dazu führen, dass Rebellen, die vielleicht nach uns kommen könnten, völlig entmutigt werden.”
    Maura biss sich auf die Unterlippe. Wie ein unheilvoller Schatten legte sich ein sorgenvoller Ausdruck über ihr Gesicht. Rath wusste, wie sehr sie davor zurückschreckte, anderen Menschen Unheil zu bringen. Er schämte sich zwar ein wenig dafür, diese Schwäche auszunutzen, sagte sich aber zugleich, dass er es nur zu ihrem Besten tat.
    Wenn nur sein eigenes Leben auf dem Spiel stehen würde, wäre er jedes Risiko eingegangen. Doch er konnte sich gut an die hilflose Qual erinnern, die er empfunden hatte, als er zusehen musste, wie Maura in Todesgefahr schwebte. Nein, so etwas konnte er nicht noch einmal ertragen. Sollte Umbria doch zugrunde gehen – er musste für Mauras
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