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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge
Autoren: Phillip K. Dick
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Sklaven waren in das Herzland ihrer Rassen mitten in Asien zurückgedrängt worden. Ganz aus Europa heraus, zu jedermanns Erleichterung. Und heute ritten sie wieder Yaks und jagten mit Pfeil und Bogen. Und diese großartigen bunten Magazine, die in München gedruckt wurden und ihren Weg in jede Bibliothek und jeden Kiosk fanden… Man konnte die ganzseitigen Farbbilder selbst sehen: die blonden, blauäugigen arischen Siedler, die jetzt in der größten Getreidekammer der Welt, der Ukraine, den Boden bearbeiteten. Diese Burschen sahen tatsächlich glücklich und zufrieden aus. Und ihre Bauernhöfe und ihre Hütten waren sauber. Man sah keine Bilder mehr von betrunkenen stumpfsinnigen Polen, die vor ihren baufälligen Hütten hockten und auf dem Dorfmarkt armselige Zwiebeln kauften.
    Aber Afrika. Dort war die Begeisterung einfach mit ihnen durchgegangen. Und selbst das mußte man bewundern, obwohl etwas mehr Bedacht, etwas mehr Geduld vielleicht besser für sie gewesen wäre, wenigstens so lange Geduld vielleicht, bis das Projekt Bauernland abgeschlossen war.
    Dort hatten die Nazis wahres Genie gezeigt; der Künstler in ihnen war in voller Größe zum Vorschein gekommen. Das Mittelmeer abgeschlossen, trockengelegt, mit Hilfe von Atomkraft zu nutzbarem Ackerland gemacht – welcher Wagemut! Wie das doch die Neider zum Schweigen gebracht hatte, wie zum Beispiel ein paar spöttische Händler an der Montgomerystreet. Und Afrika wäre ja auch beinahe ein Erfolg gewesen… aber in einem Projekt dieser Art war das Wort beinahe eben nicht genug. Rosenbergs wohlbekanntes Pamphlet, das er 1958 veröffentlicht hatte. Damals war das Wort zum erstenmal aufgetaucht. Was die Endlösung des Afrikaproblems angeht, haben wir unser Ziel beinahe erreicht . Unglücklicherweise müssen wir!
    Immerhin, es hatte zweihundert Jahre gedauert, die amerikanischen Ureinwohner zu beseitigen. Deutschland hatte es in Afrika in fünfzehn Jahren beinahe geschafft. Kritik war also eigentlich nicht angebracht. Nein, man durfte auch von den Deutschen keine Wunder erwarten. Schließlich verfügten sie nicht über Zauberei, sondern nur über Wissenschaft und Technik und jenes sagenhafte Talent für harte Arbeit. Und wenn sie eine Aufgabe anpackten, machten sie es richtig .
    Und außerdem hatten die Flüge zum Mars das Interesse der Welt von den Schwierigkeiten in Afrika abgelenkt. Er hatte es neulich einem Geschäftskollegen beim Mittagessen erklärt: Die Nazis haben etwas, was uns fehlt – inneren Adel. Die Japaner sind da ganz anders. Schließlich kenne ich sie ganz gut, ich hab doch den ganzen Tag welche im Laden. Aber es sind einfach Orientalen. Gelbe. Wir Weißen müssen uns vor ihnen ducken, weil sie die Macht haben. Aber wir blicken auf Deutschland; wir sehen, was geschaffen werden kann, wenn Weiße die Oberhand haben, und das ist etwas völlig anderes.
    »Wir nähern uns dem Nippon Times Gebäude, Sir«, sagte der Chink, und sein Atem ging wegen der steilen Straße schwer. Jetzt wurde er langsamer. Childan versuchte, sich Mr. Tagomis Klienten vorzustellen. Zweifellos war der Mann ungewöhnlich wichtig; das hatte er aus Mr. Tagomis Stimme entnehmen können. Childan mußte unwillkürlich an einen seiner eigenen sehr wichtigen Klienten, oder besser gesagt Kunden, denken. Einen Mann, der sehr viel dazu beigetragen hatte, für Childan einen Ruf unter den Persönlichkeiten von hohem Rang im Gebiet der Bucht aufzubauen.
    Vor vier Jahren war Childan alles andere als der bedeutende Händler gewesen, der er heute war; damals hatte er einen kleinen, schlecht beleuchteten Buchladen an der Gearystreet betrieben und in erster Linie antiquarische Stücke verkauft. In den umliegenden Läden wurden gebrauchte Möbel verkauft oder Wäsche zur Reinigung angenommen. Nicht gerade eine vornehme Umgebung. Und des Nachts gehörten Raubüberfälle und manchmal sogar Mord zur Tagesordnung, trotz aller Mühe der Polizei von San Francisco und selbst der Kampetai, ihrem japanischen Vorbild. Und in dieses Stadtviertel war eines Tages ein älterer Japaner, ein ehemaliger Soldat, Major Ito Humo, gekommen. Hochgewachsen, schlank, weißhaarig, aufrechte Haltung, hatte Major Humo Childan zum ersten Mal einen Hinweis gegeben, was man aus seinem Laden machen konnte.
    »Ich bin Sammler«, hatte Major Humo erklärt. Er hatte einen ganzen Nachmittag damit verbracht, die Berge von alten Magazinen im Laden zu durchsuchen. Mit seiner sanften Stimme hatte er etwas erklärt, was Childan zuerst
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