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SLAM (German Edition)

SLAM (German Edition)

Titel: SLAM (German Edition)
Autoren: Akif Pirincci
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    D ie Nagelfeile lag wie ein Schuldgeständnis in Karims Hand. Er saß vor dem Bett auf dem steingrauen Hochflorteppich und betrachtete den Lattenrost. Drei Latten waren an den nach oben zeigenden Kanten nicht mehr eckig, sondern abgerundet. Das Ergebnis von drei Jahren heimlichen Feilens. Dabei beherrschte sich Karim noch, sonst wären wohl alle diese Latten inzwischen kantenlos, rundum. Rund   … er liebte das Wort. Es war so harmonisch.
    Kari m schüttelte den Gedanken ab, l ieß die Feile in der Hosentasche verschwinden und zog die Ma tratze über den Lattenrost. In sieben Minuten würde Soli zu Hause sein. Er durfte das auf k einen Fall zu Gesicht bekommen.
    Er warf ein frisches Laken über die Matratze. Es spannte sich ohne weiteres Zutun um deren Ec ken. Dabei hätte er diese Arbeit nic ht selbst verrichten müssen. Das Laken-Intervall war ursprünglich so eingestellt, dass es sich täglich von selbst von der Matratze löste, um in einen kleinen Schacht in der Ecke des Schlafzimmer gesaugt zu werden. In solche Schächte verschwand alles während des Selbstreinigungsprozesses des Apartments. Laken, herumliegende Kleidung, leere Tassen, Gläser   … Aber Karim hatte das Laken-Intervall de aktiviert. Er mochte es, wenn er das Prozedere selber ausführte , während er zu Hause war. Mochte sehen, wie der Stoff sich aufblähte, wenn er ihn über das Bett warf. Er war dann so   … rund.
    Er wusch sich die Hände. Aus dem Spiegel beobachteten ihn zwei blaue Augen. Die Augenbrauen darüber zogen sich zur Mitte der Stirn zusammen und sandten Schatten ins Blau wie eine immerwährende Traurigkeit. Dabei wusste Karim, wie wohlgesinnt Allah ihm war. Er hatte ihm einen schlanken, muskulösen Körper geschenk t, mit knapp einem Meter fünfundachtzig nicht übermäßig groß, aber von vielen begehrt. Mancher Mann musterte ihn interessiert im Vorbeigehen auf der Straße, oft wurde er angesprochen. Nicht selten trafen ihn wildfremde und doch verliebte Augenpaare, wenn man sich unter der Dusche in der Badeanstalt begegnete, Karim sich einseifte und seine Hände den Schaum über die olivfarbene Haut verteilten. Ihm war bewusst, dass er schön war. Allah hatte ihn mit allem ausgestattet, was einen Mann begehrenswert machte. Nur eines hatte er vergessen: die Fähigkeit, sich daran zu erfreuen. Er hatte das Gefühl, als fehle etwas. Er wusste nicht was, aber er spürte, dass es eine Lücke in sein Leben riss. Da war eine Trübsal, die wie Eiter in einer t ief liegenden Entzündung gärte .
    Seine von dunklen Wimpern umrahmten Augen wirkten müde. Schulterlanges braunes Haar fiel in ungezähmten Locken in seine Stirn. Er strich es zurück, trocknete sich die Hände ab und verließ das Badezimmer.
     
    »Du hast das Sportprogramm heute nicht absolviert«, sagte Soli, als er Karims Tagesdiagramm neben dem Kühlschrank studierte. Er sagte nicht Hallo, sah ihn nicht an. Wie immer war sein erster Weg nach dem Betreten ihres großen, hellen Apartments in die ebenso große und helle Küche und dort zur Diagrammtafel. »Du musst mehr Sport machen, Karim. Du vernachlässigst deinen Körper. Klar kenne auch ich viele, die inzwischen zur Gänze aus Ersatzteilen bestehen und immer noch gut und schön dastehen. Aber glaubst du, die sind glücklich damit? «
    »Es tut mir leid.« Karim nahm Soli dessen knöchellangen Mantel von den Schultern und brachte ihn zur Garderobe. »Ich werde meine Einheiten vor dem Abendessen absolvieren.«
    »Du musst das nicht für mich tun. Es ist für deinen Körper. Du hast nur diesen einen.«
    Soli konnte so belehrend sein, dabei merkte er das selbst gar nicht. Er meinte es tatsächlich nur gut. Karim sah in seine fast schwarzen Augen. »Ich werde mich bessern. In ein paar Wochen bin ich wieder so gut trainiert, dass ich die 45 Kilometer gut mit dir mithalten kann.«
    Es war ein leeres Versprechen, von dem er wusste, dass seine Einhaltung nicht überprüft werden würde. Nach dem Fest würden sie mit anderen Dingen beschäftigt sein. In absehbarer Zeit würde es keinen gemeinsamen Lauf mehr geben.
    Soli strich ihm ein Haar von der Schul ter. Karims Blick folgte seiner Hand , als diese über seinen Arm glitt und auf dem B izeps zur Ruhe kam. »Freust du d ich schon auf morgen?«, fragte er. Immer, wenn er auf dieses Thema kam, wurde s eine Stimme unendlich zärtlich.
    »Natürlich.« Kar im zwang sich zu einem Lächeln.
    Sicher, er freute sich. Sie hatten lange warten müssen und viele schöne Stunden mit
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