Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest der Nadelschlange

Das Nest der Nadelschlange

Titel: Das Nest der Nadelschlange
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
hatten.
    *
    Der Flug des Schneefalken war wieder sicherer geworden. Mythor sah ihm nach, wie er im tiefen Blau des Himmels seine Kreise zog. Aber plötzlich verschwand Horus, und nur sein heiseres Krächzen war noch zu hören.
    Mythor und Samed hatten den Anburischen Wald erreicht. Aus der Nähe erklang das Rauschen eines Flusses.
    »Das ist die Silda«, sagte der Junge. »Sie bildet die Grenze zu Ugalien.« Er saß vor dem Recken auf dem Einhorn und klammerte sich an dessen Mähne fest. Pandor hatte sich zuerst zwar geweigert, ihn aufsitzen zu lassen, hatte sich dann aber doch Mythors Willen beugen müssen.
    Horus tauchte wieder auf. Sein Schrei hallte weithin durch den Wald. Flügelschlagend verharrte er über einer Stelle.
    »Kann es sein, dass er deine Bande erspäht hat?«
    »Es ist nicht meine Bande«, brauste Samed sofort auf. »Mit Gomhel und seinen Leuten habe ich nichts mehr zu schaffen. Und der Schlupfwinkel liegt weiter auf anburischem Gebiet.«
    »Hm«, machte Mythor. Das Gefühl einer drohenden Gefahr wollte nicht von ihm weichen. Es hatte sich eingestellt, als sie die Ausläufer des Anburischen Waldes erreichten, und bis jetzt war es eher noch stärker geworden.
    Dunkel und drohend war der dichte Forst, mancherorts geradezu undurchdringlich. Kaum ein Tier zeigte sich.
    Aus der Ferne erklang der Ruf des Bitterwolfs.
    »Ich glaube, Hark will uns warnen«, sagte Mythor. »Und auch Horus. Beide sind.«
    Ein Pfeil schwirrte nur wenige Handbreit an seinem Kopf vorbei und bohrte sich in einen Baum. Gleichzeitig hob ein lautes Geschrei an. Aus dem Unterholz brachen Krieger hervor, die blitzende Schwerter schwangen. Sie trugen kurze Felljacken, Hosen aus Fellen und langschäftige Stiefel.
    »Ugalier!« rief Samed erschrocken aus.
    In diesem Moment wurde es für Mythor zur Gewissheit, dass der Junge ihn in einen Hinterhalt geführt hatte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hatten die Sklavenhändler auch in der Grafschaft Anbur wieder die Ankunft des Dämonenreiters angekündigt, wie sie es schon einmal mit Erfolg getan hatten. Ihre Absicht war zweifellos, ihn aufzuhalten, sollte er der Nadelschlange entkommen.
    Mythor wich einem Speer aus. Nur ein Augenblick der Unachtsamkeit, doch Samed nutzte ihn, um von Pandor abzuspringen. Keiner der Krieger traf Anstalten, ihn aufzuhalten, und Mythors zupackende Rechte griff ins Leere.
    Der Junge lachte. Es war ein spöttisches Lachen. »Luxon lässt grüßen!« rief er, bevor ihn der Busch verschluckte.
    Mythor blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, wer dieser Luxon sein könnte. Mindestens ein Dutzend Ugalier hatten ihn umzingelt. Pandor begann unruhig zu tänzeln und schnaubte laut. Mythor tätschelte ihm beruhigend den Hals.
    Irgend etwas stimmte hier nicht, das spürte er. Aber er zog Alton und hielt das Schwert mit angewinkeltem Arm von sich, bereit, erbarmungslos zuzuschlagen. Noch glaubte er, das offensichtliche Missverständnis aufklären zu können, zumal auch die Ugalier zögerten, sich auf ihn zu stürzen. Für den Bogenschützen wäre er ein leichtes Ziel gewesen.
    Hark heulte jetzt in allernächster Nähe. Dann schoss er zwischen den Bäumen hervor und stürzte sich auf den nächsten Krieger.
    »Zurück!« rief Mythor, und der Bitterwolf gehorchte ihm, wenn auch zögernd. »Was wollt ihr von mir?«
    Sie gaben keine Antwort. Aber sie bedrängten ihn, ohne ihm jedoch gefährlich nahe zu kommen. Pandor musste Schritt für Schritt zurückweichen.
    Hark verhielt sich nun abwartend. Er schien zu erkennen, dass seinem Herrn keine unmittelbare Gefahr drohte. Dennoch hatte jede seiner Bewegungen etwas Lauerndes an sich. Er ließ die Ugalier nicht aus den Augen. Irgendwo über ihnen krächzte Horus. Aber auch er griff nicht an.
    Als Mythor zur Seite hin ausweichen wollte, kreuzten sich ihre Klingen, als er sich wieder in westliche Richtung wandte, ließen die Krieger sofort von ihm ab.
    »Geleitschutz«, grinste Mythor. »Wohin soll die Reise gehen? Erwartet mich gar eine hübsche Maid?«
    Sie ließen sich nicht provozieren.
    Plötzlich lichtete sich der Wald, wich den sandigen Ufern eines breiten Flusses. Wenn Samed nicht gelogen hatte, musste dies die Silda sein. Aber was war schon Wahres an dem, was er gesagt hatte?
    »Ho!« rief Mythor und drückte Pandor die Fersen in die Seite. Das Einhorn verfiel in einen schnellen Trab, überquerte den Uferstreifen und lief ins Wasser hinein, das rasch tiefer wurde. Aber selbst in der Mitte des Flusses fand es noch immer Grund.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher