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Das Nest der Nadelschlange

Das Nest der Nadelschlange

Titel: Das Nest der Nadelschlange
Autoren: Hubert Haensel
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Nachstellungen der Meute zu schützen.
    Mythor fand ihn noch immer unter seinem Pferd liegend, dessen Seite aufgeschlitzt war, das jedoch erstaunlicherweise noch lebte und leise röchelte.
    Der junge Krieger half dem Mann aus seiner misslichen Lage, aus der er sich allein nur schwerlich befreien konnte, denn das Gewicht des Pferdes drückte ihn gegen einen Baum. Er musste ohnehin von Glück sagen, dass er nicht mit zerschmetterten Gliedern da lag.
    Im nächsten Augenblick bückte er sich mit einer blitzschnellen Bewegung und hob sein Schwert auf. Mythor reagierte fast genauso schnell, aber noch ehe er Alton aus dem Gürtel reißen konnte, schnitt die Klinge des anderen bereits durch die Luft.
    Der Kämpfer der Lichtwelt verharrte mitten in der Bewegung und ließ dann seine Rechte wieder sinken. Nicht er war gemeint gewesen. Sein Gegenüber hatte dem Pferd den Gnadenstoß versetzt. Dann wandte der Mann sich ihm zu und hob die Hand zum Gruß. »Es war ein treues Tier«, sagte er. »Ich musste seinen Qualen ein Ende machen. Und dir habe ich zu danken, mein Leben steht in deiner Schuld. Ich habe deinen Kampf mit dem Mammutkeiler verfolgen können. Du verstehst es, mit der Klinge umzugehen. Ein seltsames Schwert, das du da trägst.« Er unterbrach sich. »Ich bin Gapolo ze Chianez, aber mein Name wird dir wohl nichts sagen. Du siehst nicht so aus, als gehörtest du unserer Jagdgesellschaft an.«
    Mythor schüttelte den Kopf. »Nein, gewiss nicht«, sagte er und nannte ebenfalls seinen Namen.
    »Dennoch alle Achtung. Der Keiler hat schon etliche Jäger getötet, die ihm zu nahe kamen. So hörte ich jedenfalls.« Gapolo ze Chianez' Augen weiteten sich in jähem Erstaunen. Mythor brauchte seinem Blick nicht zu folgen.
    Er wusste auch so, was der andere just in diesem Moment entdeckt hatte.
    »Das ist Pandor, mein Reittier. Ich würde dir und jedem anderen raten, die Finger von ihm zu lassen. Sucht euch eine andere Jagdbeute!«
    »Gewiss«, beeilte Gapolo sich zu versichern. »Gewiss doch.«
    Hufgetrappel wurde laut. Reiter kamen am Seeufer entlang und näherten sich ihnen. Mythor rief das Einhorn zu sich heran und zog es in den Schatten der Bäume. Erstaunt stellte er fest, dass er den vordersten der Jäger kannte.
    »Corian«, entfuhr es ihm.
    Auch der andere erkannte ihn sofort. »Mythor. Was hat dich nach Anbur verschlagen?« Ungläubig betrachtete er das Einhorn. Aber als der junge Krieger ihm versicherte, dass jeder seine Klinge spüren würde, der es wage, Pandor als Jagdbeute anzusehen, stahl sich so etwas wie Bewunderung in seine Züge .
    »Dein Freund, Graf«, ließ sich ze Chianez plötzlich vernehmen, »hat mir die Beute weggeschnappt. Solches ziemt sich nicht auf einer Jagd.«
    »Du hast recht«, nickte Corian. »Jedes Tier gehört demjenigen, der es zuerst aufspürt. War es ein prächtiger Hirsch?«
    »Der Mammutkeiler! Er liegt drüben am Waldrand.«
    Für eine Weile herrschte betretenes Schweigen. »Deshalb also«, ließ der Graf endlich hören. Er deutete auf das getötete Pferd. »Ich fragte mich schon, was geschehen ist. Mir scheint jedoch, Gapolo, dass du Mythor Dank schuldest. Und du«, wandte er sich an den Krieger, »sei meiner Hochachtung versichert. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Wahrhaft, es wird nun Zeit, nach Burg Anbur zurückzukehren.«
    Manch gieriger Blick traf den Recken und sein Einhorn, als er neben Corian einherritt. Auch der Graf bemerkte es.
    »Das wird sich ändern, sobald sie Wein im Becher und eine Sklavin im Arm haben«, versprach er. »Noch sind sie alle vom Rausch der Jagd befangen.«
    »Und ze Chianez?«
    »Ihn brauchst du nicht zu fürchten, denn der Groll, den er gegen dich hegt, scheint mir mehr oberflächlich zu sein. Als Stammesfürst der Salamiter fürchtet er um sein Ansehen.«
    Mythor nickte stumm. Bitterwolf und Schneefalke waren verschwunden. Aber vielleicht war es besser so, bis die Gemüter sich beruhigt hatten.
    *
    Dunkelheit lag über dem Land. Selbst der bleiche Schein des Mondes brach in dieser Nacht nicht durch die Wolken. In der Ferne war flackernder Feuerschein zu sehen, der von den Heerlagern der Caer stammte.
    »Ich wusste nicht, dass die Horden schon bis nach Darain vorgedrungen sind.« Die Stimme der Frau klang bedrückt, beinahe ängstlich. Eng schmiegte sie sich an den Mann neben ihr. Vor ihnen brannte ein winziges Feuer, das durch hohe Büsche nach Westen hin abgeschirmt war. Man konnte nie wissen, ob nicht versprengte Caer durch die Nacht streiften.
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