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Das Nest der Nadelschlange

Das Nest der Nadelschlange

Titel: Das Nest der Nadelschlange
Autoren: Hubert Haensel
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einfallen können. Aber die Frage stellte sich voll Bitternis: Waren sie nur eine Vorhut, oder hatten die kriegerischen Horden bereits weite Teile des Landes in ihre Gewalt gebracht?
    »Verschwindet!« herrschte der Priester die Krieger an, dann wandte er sich an den Schmied. »Ich hatte dich nicht so früh erwartet, Vassander. Was ist geschehen, dass du schon jetzt deiner Stadt den Rücken kehrst?«
    Duprel Selamy glaubte nicht richtig zu hören. Der Caer hielt ihn für den Erzmagier! Der Rüstung wegen! Das bedeutete, dass Vassander gemeinsame Sache mit den Angreifern machte.
    Was mochte ihn dazu getrieben haben? Die Gier nach Macht, seine Herrschsucht oder einfach nur das Böse, das wohl in jedem Menschen schlummerte?
    Der Priester musste Oghan sein, von dem die Krieger gesprochen hatten. Selamy beschloss, das Spiel mitzuspielen. Zum einen hatte er keine andere Wahl, denn sobald er sich zu erkennen gab, war sein Leben keinen Pfifferling mehr wert, zum anderen würde sich vielleicht eine Gelegenheit bieten, den Caer die Suppe gründlich zu versalzen.
    »Ugalos erstickt unter den giftigen Dämpfen«, sagte er, obwohl er nicht wusste, was wirklich geschehen war. Aber er hatte die verdorrten Pflanzen gesehen und das schweflige, von Schleim überzogene Wasser und konnte sich ausrechnen, dass die Stadt davon hart betroffen sein musste. »Nachdem der Harnisch fertiggestellt war, hielt mich nichts mehr zurück. Ich hoffe, deine Krieger wurden nicht entdeckt, Oghan.«
    Hatte er zu viel gewagt? Das gefährliche Aufblitzen in den Augen des Priesters wollte es ihn fast schon glauben machen.
    Aber der winkte dann nur ab. »Ein Trupp Reiter kam hierher. Ihre Leichen liegen drüben in den Büschen. Nur einer konnte entkommen, allerdings mit einem Pfeil im Rücken. Er wird ganz sicher nichts mehr sagen können.«
    Duprel Selamy deutete auf den Stein, an dem mehr als ein Dutzend Caer arbeiteten.
    »Die ganze Grafschaft wird unter unserem Bann stehen«, sagte Oghan, »wenn das Gesicht erst vollendet ist. Drudin selbst gibt uns die Macht.«
    Nebeneinanderher schritten sie auf die neue Quelle zu, die Schwefel und Schleim ausspie wie einen Auswurf der Hölle.
    »Sie alle werden verderben«, höhnte Oghan. »Alle, die dem Licht nachhängen und ihren nutzlosen Fetischen, werden von der Macht der Schattenzone hinweggefegt werden.«
    Selamy antwortete ihm nicht. Je näher sie aber dem Stein kamen, dessen Dämonenfratze auf die Blutquelle herabstarrte, desto mehr reifte ein verwegener Plan in ihm heran. Er sah die Gerüste, die die Caer errichtet hatten, sah die Männer auf wackligen Bohlen stehen und ihre Hämmer schwingen.
    Der Fels ruhte auf trügerischem Boden. Ohne die vielen Stangen, die ihn in dieser Lage festhielten, wäre er sicherlich schon umgestürzt. Er würde wohl erst ausreichenden Halt finden, wenn das Gesicht bis in die feinsten Einzelheiten herausgemeißelt war.
    Oghan blieb stehen und betrachtete es. Dann rief er etwas, das Selamy nicht verstehen konnte, zu einem Caer hinauf. Der Mann unterbrach daraufhin seine Tätigkeit an der Stirn und wandte sich den Augen zu. Unter seinem Meißel wurde ihr Blick noch stechender, noch gefahrverheißender.
    Endlich zeigte sich der Priester zufrieden. »Uns darf kein Fehler unterlaufen, Vassander«, sagte er. »Noch nicht.« Seine Hand wischte dabei über den an dieser Stelle völlig glatten Stein.
    Auf eine günstigere Gelegenheit durfte der Schmied nicht hoffen. Selamy riss seine Arme hoch und schmetterte die durch eiserne Handschuhe geschützten Fäuste auf den Priester herab. Der Schlag in den Nacken riss Oghan von den Füßen. Für einen Augenblick sah es so aus, als könne er sich noch herumwerfen, doch brach er dann stöhnend zusammen. Sein Mund öffnete sich zu einem Fluch. Aber da war Selamy schon bei den Stützen und schlug sie zur Seite.
    Ein grässliches Knirschen ertönte. Unendlich langsam neigte der Fels sich zur Seite. Erschrockene Schreie wurden laut. Die Caer warfen ihre Werkzeuge weg und suchten, sich in Sicherheit zu bringen. Doch blieb ihnen keine Zeit mehr.
    Das Gesicht des Dämons schien sich zu verzerren, als es stürzte. Für einen Augenblick übertönte das Kreischen des Priesters jedes andere Geräusch. Er starb, als der Stein ihn unter sich begrub.
    Aber auch der Schmied konnte sich nicht mehr in Sicherheit bringen. Ein zusammenbrechendes Gerüst versperrte ihm plötzlich den Weg, und bevor er es überwunden hatte, traf ihn ein schmerzhafter Schlag an der
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