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Das Nest der Nadelschlange

Das Nest der Nadelschlange

Titel: Das Nest der Nadelschlange
Autoren: Hubert Haensel
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stumme Kutscher, der wie eine aus Stein gehauene Statue auf dem Bock saß.
    Corian fand einen Vorwand, um vorauszureiten. Er ließ seinem Pferd die Zügel schießen, dass es vor Erschöpfung fast zusammenbrach, als er endlich Burg Anbur erreichte. Ein Sattelknecht eilte herbei und führte das Tier in den Stall.
    Es war ruhig, zu ruhig, wie Corian fand. Der Vorhof lag wie ausgestorben. Immerhin hatte er erwartet, ein geselliges Treiben anzutreffen. Sollten die Heerführer der Botschaft des L'umeyn doch nicht Folge geleistet haben?
    »Die Jagdgesellschaft ist vor kurzem aufgebrochen, Herr«, lautete die Auskunft, die er schließlich erhielt.
    Deshalb also. Corian war überrascht, gleichzeitig aber auch ein wenig verbittert. Die Meute würde sein Wild zur Strecke bringen, das er aus fernen Ländern hatte herbeischaffen lassen. Denn die Tiere des Anburischen Waldes waren weniger geworden.
    »Sattle mir ein frisches Pferd!«
    »Gewiss, Herr, doch einer der Gefangenen verlangt nach dir.«
    »Nicht jetzt, später vielleicht.«
    »Es sei wichtig, sagt er. Und er behauptet, magische Fähigkeiten zu besitzen.«
    Der Graf wurde hellhörig. Eigentlich konnte der Diener nur den Hageren meinen, denn der andere war ein Barbar.
    »Will er wirklich ein Magier sein?« fragte er. »Oder ist er nur ein Scharlatan, einer von der Sorte, denen man besser die Seele aus dem Leib peitscht?« Er erwartete keine Antwort darauf. »Ich werde in den Kerker gehen und ihn auf die Folter vorbereiten. Es sei denn, er versteht wirklich etwas von der Kunst des Wahrsagens.«
    Als Corian aus den Tiefen seiner Burg zurückkehrte - die Sonne war mittlerweile ein beträchtliches Stück weitergewandert -, schien er nachdenklich und in sich gekehrt. Er war beeindruckt. Nur ein wirklicher Wahrsager konnte all diese Dinge wissen, die ihm soeben in die Erinnerung zurückgerufen worden waren. Manches hatte er selbst schon fast vergessen - vielleicht, weil es so bequemer für ihn war.
    Inzwischen hatten weitere Gäste den Weg nach Burg Anbur gefunden. Corian begrüßte sie kurz, weil die Höflichkeit es ihm gebot; dann folgte er den Spuren der Jagdgesellschaft.
    *
    Immer heftiger wurde er von den Schlinggewächsen attackiert. Sie schlangen sich um seine Beine, um den Leib und tasteten zielstrebig auch nach seinem Kopf. Noch konnte er sie mit wütenden Bewegungen zerfetzen. Aber er sah den Augenblick kommen, da sie ihn in solcher Anzahl angreifen würden, dass er ihrer nicht mehr Herr wurde.
    Jene Stelle, an der der Fluss sich in zwei Arme aufteilte und so eine natürliche Wehr für die Bürger von Ugalos bildete, lag inzwischen hinter ihm. Dort hatte er sich nach rechts gewandt, um nicht ziellos durch das Wasser zu tappen. Duprel Selamy machte sich längst keine Gedanken mehr darüber, weshalb die Rüstung ihn am Leben erhielt. Es waren magische Kräfte, die das Wasser fernhielten und ihm die Luft gaben, die er zum Atmen brauchte.
    Irgendwann wurde das Steilufer flacher. Er glaubte, dass er sich bereits weit genug von der Stadt entfernt hatte, um vor den Nachstellungen des Erzmagiers wenigstens vorerst sicher zu sein.
    Es fiel ihm leichter als erwartet, an Land zu kommen, wenngleich sich an dieser Stelle Altwasser gebildet und die Strömung Schlick und Treibsand angelagert hatte. Ugalos lag allerdings noch nicht so weit hinter ihm, wie er es gerne gesehen hätte. Duprel Selamy stellte fest, dass er den Fluss dort verlassen hatte, wo dieser die große Schleife beschrieb.
    Trauer beherrschte seine Gefühle. Er würde wohl nie mehr seine Schmiede wiedersehen, die ihm in den langen Jahren ans Herz gewachsen war. Wollte er Vassanders Schergen nicht früher oder später in die Hände fallen, musste sein Weg weiter flussaufwärts führen, fort von der Stadt.
    Selamy wollte sich der Rüstung entledigen. Sie hatte ihm einen guten Dienst erwiesen, doch wozu sollte sie ihm jetzt noch nützen? Sie würde ihn nur unnötig behindern. Allerdings schaffte er nicht einmal, die Verschlüsse zu öffnen, geschweige denn auch nur den Helm abzunehmen. Magie ließ seine Finger daran abgleiten wie die Waffe eines Gegners. Er war gefangen.
    Zum Glück erwies sich der Harnisch als federleicht. Je weiter der Schmied sich seinen Weg am Flussufer entlangbahnte, desto weniger spürte er, dass er überhaupt eine Rüstung trug.
    Irgendwann erreichte er einen Nebenfluss. Auch ohne die Schwefeldämpfe, die die Pflanzen am Ufer absterben ließen, wusste er, dass dieses Wasser von der Blutquelle kam.
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