Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest der Nadelschlange

Das Nest der Nadelschlange

Titel: Das Nest der Nadelschlange
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
wurde.
    »Jetzt du!«
    Das Gesicht des Mannes, auf den der Erzmagier zuschritt, verzerrte sich. »Nein!« schrie er auf und riss sein Schwert aus der Scheide. »Du kannst mich nicht dazu zwingen!«
    Vassander zeigte sich unbeeindruckt. »Geh!« sagte er mit leiser, drohender Stimme.
    Die zweischneidige Klinge zuckte auf ihn zu. Im nächsten Moment polterte sie zu Boden. Der Angreifer schrie auf und riss einen Dolch aus seinem rechten Handrücken. Trotz der stark blutenden Wunde wäre er bereit gewesen, zu schwören, dass der Erzmagier sich nicht bewegt hatte.
    »Geh!«
    Jeder Widerstand brach zusammen. Der Mann schien nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein, als er steif auf die Kammer zuschritt, die, nachdem die Tür geschlossen war, sofort geflutet wurde. Vassander wartete nicht länger, als er selbst die Luft anzuhalten vermochte - eine sehr kurze Zeit -, dann wurde das eingedrungene Wasser in den Fluss zurückgepumpt.
    Er hätte noch viele Menschenleben geopfert, um in den Besitz der Rüstung zu kommen. Aber was er sah, ließ jeden weiteren Versuch sinnlos erscheinen.
    Pflanzenstränge schlugen ihm entgegen wie die Tentakel eines riesigen Kraken. Der letzte Mann hatte die Kammer überhaupt nicht verlassen können, weil von draußen ein Gewirr glitschiger Fäden hereindrängte, die aber von der zugleitenden Wand abgeschnitten worden waren. Dennoch schienen sie zu leben. Sie hielten ein grausiges Mahl.
    Ähnliche Gewächse hatten in der Lorana nie existiert. Vassander begriff, dass es der gelbe Schleim war, der die Pflanzen auf erschreckende Weise veränderte. Der Harnisch war für ihn damit endgültig verloren.
    Das Gesicht des Erzmagiers wurde maskenhaft starr. Er wandte sich ab und verließ das Flussgefängnis .
    Nur wenig später erwachte das alte Gemäuer ein zweites Mal zu scheinbar gespenstischem Leben.
    Als Graf Corian den Palast des L'umeyn wieder erreichte, stand die Sonne bereits eine Handbreit über dem Horizont, und als dann der Erzmagier Vassander zu seinem König befohlen wurde, war sie um die Breite zweier Finger weitergewandert.
    Mormand de Arrival Visond erwartete seinen Ratgeber in einem der vielen Audienzzimmer, einem kleinen, aber prunkvoll ausgestatteten Raum, der den Reichtum Ugaliens überaus deutlich machte. Silber war das vorherrschende Metall. Mit ihm waren Wände und Decken verziert und die Möbel beschlagen. Aus Silber waren auch die vielen kleinen Behälter, in denen eine dunkle, ölige Flüssigkeit brannte und einen gleichmäßigen Lichtschein erzeugte.
    Der L'umeyn verzichtete darauf, seinem Erzmagier einen Stuhl anzubieten. Das war zumindest ungewöhnlich. Vassander bemerkte es mit einem verblüfften Augenaufschlag.
    »Was geht im Flussgefängnis vor?« fragte Mormand in ungewöhnlich scharfem Tonfall und völlig übergangslos.
    Der Magier verriet mit keiner Miene, ob ihn diese Frage verwunderte. »Nichts, was deinen Interessen zuwiderläuft, L'umeyn«, sagte er.
    »So? Hast du mir wirklich nichts zu sagen?«
    »Ich wüsste nicht, was besonders.«
    »Zum Beispiel die Sache mit dem Schmied. mit Duprel Selamy? Sollte es Lüge sein, dass er in der Lorana ertrunken ist? Ich kann mich nicht entsinnen, ihn jemals verurteilt zu haben, den besten Waffenschmied von Ugalien.«
    Bei der Erwähnung des Namens zuckte Vassander kurz zusammen, hatte sich jedoch sofort wieder unter Kontrolle. »Woher weißt du.?« lautete seine Gegenfrage.
    Der L'umeyn winkte einfach ab. »Das tut nichts zur Sache. Wichtig ist allein, ob es stimmt.«
    »Du hast recht, L'umeyn. Der Meister ist ertrunken. Es war ein bedauerlicher Unfall. Die Verantwortlichen wurden bereits dafür zur Rechenschaft gezogen.«
    »Das will ich hoffen. Aber sollte der Vorfall jemals an die Öffentlichkeit dringen.«
    »Niemand wird es erfahren. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
    »Gut.« Mormand nickte. »Doch was bewog dich dazu, diesen Selamy in das Flussgefängnis zu sperren?«
    »Er war kein Gefangener, sondern .. .«
    »…fertigte einen Harnisch an. Auch das ist mir bekannt.«
    Vassander zögerte. »Nenne mir die Quelle deines Wissens«, bat er dann. »Denn niemand sollte vorzeitig von dem Geschenk erfahren.«
    »Ein Geschenk?«
    »Für dich, Cumeyn. Deshalb blieb alles geheim. Etwas Kostbareres als eine magische Rüstung, die jede Gefahr von ihrem Träger abhält, hat wohl noch niemand besessen.«
    Endlich hieß Mormand den Erzmagier, sich zu setzen. »Ich muss dir wohl danken«, sagte er. »Umso mehr, als der Goldharnisch mir schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher