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Das Musical

Das Musical

Titel: Das Musical
Autoren: Robert Rankin
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kleiner lepröser Junge gewesen war, und es bestand nicht der geringste Zweifel, daß sie sich blendend auszahlte. Rex hatte sich bereits genügend Umquartierungs-Kredits verdient, um an der Oberfläche zu wohnen, und er besaß sogar einen Überschuß an Nahrung und Medico-Rationen. Seine Freigebigkeit mit diesen machte ihn über alle Maßen populär und zu einem angesehenen Bürger. Doch was Rex am meisten an dieser Technik schätzte, war die Tatsache, daß sie ihm reichlich Zeit ließ, seinen eigenen persönlichen Studien nachzugehen.
    Diese Studien kreisten um ein Buch, das sein Onkel Tony ihm hinterlassen hatte, ein eigenartiger Band mit dem Titel Das Sub-Urbane Buch der Toten. Onkel Tony hatte Rex den zerbröckelnden Wälzer mit den einfachen Worten ›Wissen ist Macht‹ in die Hände gedrückt.
    Kurze Zeit später hatte Onkel Tony sich spontan selbst entzündet, während er vor dem Fernseher gesessen und seine Lieblings-Gameshow gesehen hatte. »So möchte ich auch gerne eines Tages von hier gehen«, hatte Tantchen Norma dazu gesagt.
    Rex machte sich daran, die inneren Mysterien des alten Schinkens zu entwirren. Es war keine leichte Angelegenheit. Die Sprache war bestenfalls archaisch, das Buch irgendwann in der Mitte des vorigen Jahrhunderts geschrieben, und vieles von seinem Inhalt stellte für Rex ein absolutes Rätsel dar. Und doch spürte Rex, daß er es dem alten Knaben irgendwie schuldete. Schließlich hatte er Rex eine unglaublich effiziente Methode vermittelt, das System zu schlagen, und außer diesem Buch hatte er seiner Nachwelt nichts weiter vermacht als ein paar rauchende Stiefel und eine verschmorte Fernbedienung.
    Was Rex’ Wohnung anbetraf, so gab es nicht viel, das für sie gesprochen hätte. Sie befand sich über der Erde und war den größten Teil des Jahres trocken, und das reichte für seine Bedürfnisse aus. Im Schlafzimmer befand sich eine modrige Pritsche, im Wohnzimmer der selbstgebastelte Lehnsessel und ein Fernsehterminal. Bis auf den güldenen Cherubim war die einzige Anomalie, die das Auge eines möglichen Besuchers angezogen hätte – würde Rex jemals einen Besucher empfangen haben, was er niemals tat –, ein Wandgemälde, das die ganze Seite seines Wohnzimmers einnahm. Dieses Wandgemälde war in der Tat ein Ding von sprichwörtlicher Schönheit, so real, daß es beinahe aussah wie eine Photographie. Unter einem Himmel aus dem tiefsten Blau brandeten schäumend weiße Wellen auf einen goldenen Strand, große Palmen bogen sich unter der Last reifender Kokosnüsse, und am Horizont kreuzte ein Ozeandampfer mit einer einzelnen weißen Rauchsäule aus einem einzelnen schwarzen Schornstein.
    Obwohl Rex den Anblick seines Wandgemäldes immer wieder in vollen Zügen genoß, gab er nicht vor, es zu verstehen. Er hatte das Meer noch nie gesehen, und der Dampfer verwirrte ihn mächtig. Warum, so fragte er sich immer wieder, sollte jemand eine Fabrik in so großer Entfernung von der nächsten U-Bahn-Station bauen?
    Das Meisterwerk war extra für ihn gemalt worden, im Austausch gegen Essen, von einem jungen Mann, der vorübergehend auf dem Treppenabsatz der sechsten Etage Logis bezogen hatte. Rex hatte nie den Namen des Künstlers erfahren, und nachdem das Gemälde fertig gewesen war, hatte er sich ohne Worte verabschiedet. Das Wandgemälde war ein Rätsel, doch es brachte eine Saite in Rex zum Schwingen, und es brachte eine nicht unbeträchtliche Helligkeit in die ansonsten düstere Umgebung.
    Als die erste Nachrichtensendung des Tages begann, sandte ein winziger Apparillo, verborgen in der Rückenlehne des Stuhls, fröhliche Wecklieder in Rex’ zerebralen Kortex und weckte den Burschen auf. Rex gähnte und drückte einen Knopf auf seiner Fernbedienung. Das lächelnde Gesicht der weiblichen Nachrichtensprecherin verblaßte und war verschwunden. Rex stolperte blind ins Badezimmer, das, genau wie die Küche, zu unsäglich war, um ein Wort darüber zu verlieren.
    Hier wusch er seine Augen und kratzte sich die Stoppeln von seinem Kinn. Als das Tageslicht langsam zurückkehrte, erblickte er sein verschwommenes Ebenbild in dem beschlagenen Spiegel.
    »Verdammt attraktiv«, sagte er zu sich.
    Und in der Tat, Rex Mundi war kein schlecht aussehendes Exemplar, soviel stand fest.
    Ein wenig grau-grün um die Backen herum, aber nichts, mit dem ein kleiner Spritzer Healthiglo Pallorgon™ nicht fertig wurde.
    Und er besaß eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem gewissen Harrison Ford längst
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