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Das Musical

Das Musical

Titel: Das Musical
Autoren: Robert Rankin
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veranlaßt gesehen hatte, die Lady persönlich zu besuchen und ihr seine Glückwünsche auszusprechen. Nachdem er vergeblich an ihre Bunkertür gehämmert hatte, waren seine Gehilfen gekommen und hatten sich einen Weg ins Innere gebahnt. Und dort hatte sie gesessen, die gute, und blind auf den Bildschirm gestarrt. Sie war seit drei Wochen tot.
    »Das war abzusehen«, murmelte Rex, der sicher war, daß er die Geschichte schon einmal gehört hatte. Zum Glück fuhr der Zug gerade in dem Augenblick in die Station ein, als die Sänger des Senders zu einer unerträglichen neuen Cover-Version von ›Jeder Atompilz hat einen Silberstreif am Horizont‹ ansetzten. Der Zug ratterte in die Nemesis-Station und überrollte alles in seinem Weg. An diesem Morgen hatten sich lediglich zwei asoziale Elemente entschlossen, in das Nichts zu springen. Der Fahrer entschied, daß diese Anzahl durchaus im Rahmen des für die Jahreszeit Üblichen lag und schaltete den Fernseher auf seine Lieblings-Feinschmeckersendung um.
     
    Nachdem der Abspann ihrer Lieblings-Show endlich über den Schirm ins Nichts geglitten war, senkte die vornehme Dame hinter dem Empfangsschalter die Lautstärke ihres Fernseh-Terminals. Dann starrte sie mit gespielter Überraschung auf den jungen Mann, der die letzten zwanzig Minuten vor ihr gestanden und geduldig Schuppen und Hautfetzen aus dem Innern seines Kugelhelms geschnippt hatte.
    »Was wollen Sie?« erkundigte sie sich ohne die geringste Spur von Freundlichkeit.
    »Mein Name ist Rex Mundi.« Der Bursche brachte doch tatsächlich die Frechheit auf, die steingesichtige Harpyie hoffnungsvoll anzulächeln!
    »Na und?« Irgend etwas im Tonfall der Frau ließ Rex vermuten, daß zwangloser Sex mit ihr wohl nicht in Frage kam.
    »Ich werde erwartet. Oder jedenfalls wurde ich das.«
    »Sie sind zu spät.«
    Rex öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch dann überlegte er sich’s anders. Wenn die Empfangsdame sich ein derartiges Benehmen leisten konnte, dann schien es mehr als wahrscheinlich, daß sie mit irgendeinem von den Direktoren oder dem Vorstand der Nemesis oder vielleicht sogar dem Dalai Lama persönlich beträchtliche Beziehungen unterhielt. Ganz ohne Zweifel von der horizontalen Sorte, schloß Rex vollkommen falsch.
    »Ich habe einen Termin bei Mrs. Vrillium.«
    Die Empfangsdame bedachte ihre Terminalkonsole mit dem einen oder anderen ungezwungenen Tippen ihrer Finger.
    »Ah, ja. Sie sind…«
    »Zu spät?« kam Rex ihr zuvor. »Wenn Sie vielleicht so freundlich wären und mir den Weg in das Büro der fraglichen Dame erklären könnten? Vielleicht kann ich dann ein paar der verlorenen Minuten wieder aufholen.«
    »Das finden Sie nie«, sagte die Empfangsdame und seufzte schwer. »Das haben schon ganz andere versucht. Männer. Wozu sind sie schon gut, he? Die meisten haben einfach kein Gehirn.«
    Rex untersuchte angelegentlich seine Fingernägel. Sie hatten keine Ähnlichkeit mit Fingernägeln.
    Die Empfangsdame blickte sich suchend in der ansonsten verwaisten Eingangshalle um.
    »Wie es scheint«, sagte sie nach einer ganzen Weile, »wie es scheint, sind alle bei ihren zahlreichen Arbeiten. Vielleicht kommen Sie lieber ein andermal wieder?«
    Rex starrte in das grinsende Gesicht. Vielleicht gelang es ihm, es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Er konnte sagen, sie wäre gefallen und hätte sich den Hals gebrochen. Aber dann: Was, wenn er beobachtet wurde? Es würde seine Aussichten auf eine frühe Beförderung gründlich ruinieren. »Ist meine Schwester Gloria in der Nähe?« fragte er beiläufig.
    »Gloria?« Es dauerte einen Augenblick, bis der Name zu ihrem Gehirn vorgedrungen war. Als es geschah, grenzten die Auswirkungen an nichts weniger als reinste Magie. »Gloria Mundi?« fragte die Empfangsdame mit leiser, kleinlauter Stimme. »Die Stationsleiterin?«
    »Genau die«, antwortete Rex leutselig. »Meine Schwester. Wenn Sie Gloria vielleicht kurz anrufen könnten? Ich bin sicher, sie kann mir den Weg zeigen. Sie war es schließlich auch, die den Termin vereinbart hat, wissen Sie?«
    Die Empfangsdame, die Rex persönlich zur Tür von Mrs. Vrilliums Büro geleitete, schien eine wunderbare Verwandlung durchgemacht zu haben. Nachdem sie mit provokativem Hüftschwung vor ihm durch den Gang gewackelt war, verabschiedete sie sich nun mit einem attraktiven Zwinkern und einem gehauchten: »Bis später, großer Mann.«
    Rex blickte ihr hinterher. Was für ein charmantes Wesen, dachte er bei sich. Ich bin ja
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