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Das Mozart-Mysterium

Das Mozart-Mysterium

Titel: Das Mozart-Mysterium
Autoren: Christoph Öhm
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Kutsche nieder. Nachdem der schwarz gekleidete Diener ebenfalls eingestiegen war und sich gesetzt hatte, sagte Bach: »Es geht zum Friedhof, meine Lieben! Zum Johannisfriedhof.«
     
    Ob sich auf diesem Friedhof bald auch unsere Gräber befinden würden? Ich hielt es gut für möglich.
    Bach fuhr fort: »Ich muss mich Ihnen erklären, denke ich. Ihre Haltung zeigt, dass Sie weder mir noch Herrn Giacomo de Lucchesini, den wir bald wiedersehen werden, vertrauen. Doch sind   wir   Ihre einzigen und wahren Freunde! Jeder andere – sowohl Mizler als auch der Geheimrat, von den Illuminaten ganz zu schweigen – vertritt allein seine eigenen Interessen, die nichts mit den Ihrigen gemein haben.«
    Wenig überzeugt von diesen Ausführungen erwiderte ich: »Dann erklären Sie uns bitte: Woher wussten Sie, dass wir hier sind, wenn Sie nicht mit den Entführern paktieren?«
    »Mit der Entführung haben wir nichts zu tun«, fuhr Bach fort. »Ich verstehe Sie jedoch: Natürlich muss es beunruhigend sein, wenn wir so gut über Sie informiert sind. Allein, dies ist die einzige Möglichkeit, rechtzeitig zur Stelle zu sein, wenn wir gebraucht werden. Hätten wir Ihnen ganz frei unsere Hilfe angeboten, wäre sie sicherlich von Ihnen abgelehnt worden. Also mussten wir Ihre Spuren verfolgen, was uns recht einfach gelang, da Lucchesini als Mitglied der Societät alle Rätselorte kannte und daher wusste, dass Sie nun auf den Spuren meines unseligen Vaters wandeln würden.«
    Mozart war verwundert: »Weshalb nennen Sie Ihren Vater, den unsterblichen Meister, ›unselig‹? Und weshalb sind Sie überhaupt in unserer Sache engagiert? Ich vertraue reichlich wenig auf Ihre Ratschläge!«
    Bach erwiderte: »Der Grund ist ganz einfach. Mein Vater wurde von der Societät ermordet. Lassen Sie mich etwas weiter ausführen, damit Sie besser verstehen.«
    In den nachfolgenden Minuten berichtete Bach von einer unglaublichen Beschuldigung, die mir nach und nach tatsächlich glaubhaft erschien. Denn wir wussten bereits vom Schicksal Händels, der kurz nach der Operation durch den Scharlatan Taylor, einen reisenden englischen Augenarzt, verstorben war. Nun berichtete uns Philipp Emanuel Bach, dass auch sein Vater, der große Fugenmeister, von diesem Augenarzt behandelt worden war und kurz darauf starb, obwohl er bis vor der Operation, abgesehen von schwachem Augenlicht, vollkommen gesund gewesen war.
    Philipp Emanuel behauptete des Weiteren, dass Lucchesini, der schon lange mit ihm bekannt war, einen Zettel gefunden habe, auf dem Taylor gebeten wurde, dem alten Bach eine kleine Menge Arsen zuzuführen und obendrein ein ›Medikament‹ herzustellen, das Bach 14 Tage nehmen sollte und das ebenfalls Arsen enthielt. Die Menge sollte laut der Notiz so klein bemessen werden, dass keine offensichtlichen Vergiftungserscheinungen zu Tage treten sollten und der übliche bittere Geschmack kaum wahrzunehmen wäre. Da das Arsen die Organe nach und nach schädigte, vergiftete der alte Bach sich durch die Medizin Taylors unwissentlich, ohne dass Symptome auftraten.
    Mozart war entsetzt. Er sagte, er hätte selbst den Nachruf auf den alten Bach in Mizlers eigener Zeitung für Musikgelehrte gesehen, mit dem Hinweis darin auf Taylors Behandlung kurz vor Bachs Tod. Es konnte also wirklich kein Zufall sein, dass die zwei herausragendsten Mitglieder der Societät, die großen Komponisten Händel und Bach, vom gleichen Augenarzt behandelt wurden und kurz darauf starben.
    Philipp Emanuel Bach erklärte uns das weitere Vorgehen: »Also gut, ich möchte – genau wie Sie –, die Mörder entlarven, und habe mich deshalb mit Lucchesini verbündet. Da nun so viele Gestalten in diese Sache verwickelt sind und da ich weiß, dass Sie beide ständig unter Beobachtung stehen, werde ich Sie gemeinsam mit meinem kampferfahrenen Diener beschützen und Ihnen zudem eine Hilfestellung geben, das letzte Rätsel zu lösen, denn Lucchesini gab mir einen Hinweis.«
    Die Kutsche war angekommen und der Diener hielt uns die Tür des Wagens auf. Wir gingen zu viert, Bach voraus. Vor uns lag der Johannisfriedhof an der Leipziger Johanniskirche, die sich etwas außerhalb der Stadt befand. Die Mauern des Kirchhofes waren niedrig und bröckelten an vielen Stellen. Das niedrige Eisentor quietschte laut beim Öffnen. Bach lief zwischen den Gräbern hin und her und blieb an einem stehen. Mozart und ich folgten.
    Es war das Grab des alten Bach.
    Mozart holte das Gedicht hervor und las es nochmals laut.
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