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Das Mozart-Mysterium

Das Mozart-Mysterium

Titel: Das Mozart-Mysterium
Autoren: Christoph Öhm
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Schließlich gab Mozart nach und wir ließen uns vom Wirt den Weg zur Thomasschule beschreiben, der quer durch die Stadt verlief.
    Mizler hatte zwar keine Uhrzeit angegeben, zu der Mozart sich bei ihm einfinden sollte, aber es musste noch vor Mitternacht geschehen, da es laut den Vorgaben der Aufnahmebedingungen am heutigen Tage sein sollte.
     
    Da zu dieser Zeit wieder die große Handelsmesse stattfand, waren die Straßen und Gassen dicht gedrängt, voll von Händlern aller Façon, auch Bettlern, Stadtbürgern und Handwerkern, die im Zentrum der Stadt die Messestände aufbauten.
    Wir gingen zu Fuß und führten die Pferde an den Zügeln, da wegen der vielen Menschen ein zügigeres Vorankommen kaum möglich war. Ich versuchte, meine Schmerzen zu verdrängen, doch jeder Schritt kostete mich große Anstrengung.
    Die Tracht der Bürger hier war anders, als ich es gewohnt war. In meiner Heimat Stuttgart trug man schlichte Jacken und Hüte. In Salzburg wiederum zeigten die Bürger eher den eigenen Wohlstand, und man sah edles Tuch und Pelze. Hier in Leipzig trugen die Frauen besonders kunstvolle Hüte und fantasievolle Kleider in bunten Farben, die Männer dagegen meist Perücken, modische Kniebundhosen und lange Strümpfe, dazu bunt gemusterte Jacken. Für Tuchhändler war dies sicher ein einträglicher Ort.
    Die Thomasschule war ein unscheinbares, hell getünchtes Haus mit mehreren Stockwerken, direkt neben der erhabenen und großen Thomaskirche.
    Wir traten ein, durch eine schwere Eichentür. Innen vernahmen wir sogleich Gesang hoher Knabenstimmen, die von oben herab erklangen, der Chor übte wohl gerade. Wir nahmen uns die Freiheit, in jedes Zimmer zu schauen. Alle waren spartanisch eingerichtet und schmucklos gestaltet. Die Holzdielen waren überall ausgeleiert und durchgetreten. Fast alle Türen waren unverschlossen, nur eine, wohl die Kellertür, ließ sich nicht öffnen. Im ersten Oberstock konnten wir ebenfalls in jedes Zimmer schauen, nur die Halle, in der der Chor probte, sparten wir aus, damit es keine Unruhe und lästige Fragen gab.
    Alle Zimmer, meist Schulräume, waren leer. Auch auf den anderen Stockwerke entdeckten wir nichts von Bedeutung.
    Mozart war missmutig. »Sehen Sie, David, ich habe es ja gleich gesagt. Hier ist nichts zu finden.«
    Enttäuscht stimmte ich ihm zu. Wir hatten schon fast den halben Tag verloren und kein Ergebnis erzielt, und ich war schuld.
    Wir verließen das Gebäude und traten in die nebenliegende Thomaskirche ein. Es waren zahlreiche Besucher und Gläubige im Innenraum, die andachtsvoll in den Kirchenbänken saßen und beteten.
    Mozart ging rechts herum durch das Kircheninnere, ich links herum, sodass wir rascher die einzelnen Kunstwerke betrachten konnten. Obwohl wir eine geschlagene Stunde damit zubrachten, jedes Bild und jede Plastik genauestens zu untersuchen, waren weder Höllendarstellungen noch ein Zerberus zu finden.
    Müde und unzufrieden traten wir wieder hinaus auf die Straße. Meine Wunden pochten, ich war erschöpft.
    Direkt vor der Kirche stand jetzt eine schwarze Kutsche, die jemand Wohlhabendem gehören musste, denn es war ein großer Vierspänner und alle Teile des Wagens waren poliert und blitzten in der Sonne. Ratlos standen wir vor dem Portal und ließen den seltsamen und bedrohlichen Anblick der schwarzen Kutsche auf uns wirken, als sich die Tür des Wagens öffnete und jemand ausstieg. Es war ein schwarz gekleideter, kräftig gebauter junger Mann.
    Rasch ging er auf uns zu und verbeugte sich höflich. »Ich grüße Sie! Also haben Sie es bis Leipzig geschafft! Wie schön! Bitte folgen Sie mir, mein Herr erwartet Sie!«
    Mit breitem Grinsen bleckte er seine weißen Zähne, als wir uns nicht rührten. »Ab jetzt reisen Sie mit uns in der Kutsche! Steigen Sie bitte ein – keine Widerrede!«
    Die letzten Worte hatte er ernst und bedrohlich gesprochen. Sofort lachte er jedoch wieder jovial und schob uns vor sich her zum Wagen. Ich sträubte mich, doch hatte ich gegen den kraftvollen Mann keine Chance. Mozart hatte scheinbar innerlich aufgegeben und ließ sich wie ein Lamm willenlos wegführen.
    Der Diener schob uns in die Kutsche, in der ein Mann saß, den wir bereits kannten: Philipp Emanuel Bach, der Sohn des alten Bach, der mir bereits bei meinem Aufenthalt in Hellbrunn, zusammen mit dem undurchschaubaren Lucchesini, begegnet war!
    Bach begrüßte uns vollkommen freundlich und zuvorkommend. Wir ließen uns nolens volens ihm gegenüber in der geräumigen
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