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Das Mozart-Mysterium

Das Mozart-Mysterium

Titel: Das Mozart-Mysterium
Autoren: Christoph Öhm
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eine faszinierend lange Freitreppe, die sogenannte Heilige Stiege, die nach dem Vorbild der Scala Santa in Rom erbaut worden war.
    Ich berichtete Mozart von der Begegnung mit Lucchesini und von der offensichtlichen Überwachung unserer Aktionen durch die Societät. Über meinen Traum behielt ich Stillschweigen, obwohl ich noch immer davon in Unruhe war.
    Wir waren so klug – oder unwissend – wie am Anfang. Es schien mir geradezu unmöglich, innerhalb der gesetzten Frist alle Rätsel zu lösen.
    Ebenfalls niedergeschlagen und, wie mir schien, von der Ausweglosigkeit der Lage überzeugt, griff der Maestro zur Violine und fing an, die Saiten leise zu stimmen. Es war absolute Stille vonnöten, damit die Saiten in reinen Einklang gebracht werden konnten.
    Als Mozart zufrieden war, hob er an zu spielen. Ich erkannte das Stück sofort, es war die Melodie eines der kurzen Duette, die Mozart als Beilage zu seiner Violinschule erfunden hatte. Sie erklang nun jedoch anders als bisher und war ausgeschmückt mit allerlei kleinen Trillern. Da es aber eine Melodie in Moll war, entstand zu keiner Zeit der Eindruck von Leichtigkeit, sondern das Empfinden süßer Trauer, als ob die Engel im Paradies einen neuen Gast mit trauervollem Gesang begrüßten.
    Mozart endigte sein Violinspiel. Die nachfolgende Stille dauerte lange an. Die Musik zuvor war so schön gewesen, dass jedes gesprochene Wort unpassend erschien.
    In mir brodelte es, denn die soeben vernommene Engelsmelodie (nach meiner tiefen Überzeugung war sie unsterblich schön) hatte durch ihren himmlischen Klang in mir einen neuen und wichtigen Gedanken angestoßen, der uns vielleicht der Lösung des ersten Rätsels näher brachte. »Maestro, ich bitte sehr um Entschuldigung, dass ich nach so schöner Musik als Erster spreche, aber ich kann einen Gedanken nicht länger in mir tragen: Im Rätsel wird der Weg zum Paradies beschrieben. Es werden dafür die vier Zahlen genannt, die den Weg zeigen sollen: Was ist, wenn es sich dabei eigentlich um Buchstaben handelt?«
    »Ich verstehe nicht? Es sind doch Zahlen.«
    »In der Tat, aber man könnte jedem Buchstaben des Alphabets eine Zahl gegenüberstellen, die diesen Buchstaben ersetzt, als Verschlüsselung der eigentlichen Nachricht!«
    Mozart holte den Brief hervor, denn wir hatten nur noch die addierte Summe der Zahlen, nicht aber die einzelnen Zahlen im Gedächtnis.
    Er las: »Also … 16, wieder die 16, 18 und 22.«
    Ich nahm den Briefbogen und ein gespitztes Kohlestück und notierte unten am Rand des Papieres das gesamte Alphabet; über jeden Buchstaben schrieb ich eine Zahl, sodass A gleich Eins war – und genauso weiter – bis alle Buchstaben einer Zahl zugeordnet waren.
    Ich präsentierte das Ergebnis: »Es sind die Buchstaben P, P, R und V.«
    »Aha!«, sagte Mozart. »P, P, R, V. Vielleicht sind dies Anfangsbuchstaben von Vornamen? P und P, Peter und Paul, das gibt es doch als Feiertag, als Apostelfest, nach dem neu eingeführten Kalender nun im Monat Junius?«
    »Ja! Die Apostel Petrus und Paulus! Vielleicht gibt es ihre Abbilder am Weg zu einer Kirche oder einem Gottesacker?«
    »Heureka! Aber … das gibt doch keinen Sinn … am Dom zum heiligen St. Rupert stehen unten vier Statuen in der Fassade des Portals, da sind auch Petrus und Paulus dabei! Ich glaube, ich habe eine kleine Schrift aus dem letzten Jahrhundert aufgehoben, in der vom damaligen Erzbischof Lodron die Neueinweihung des Doms angekündigt und die enthaltenen Kunstwerke erläutert wurden, lassen Sie mich suchen!«
    In Mozarts Haushalt bestand erstaunliche Ordnung, die aber nur vom Adlatus Franz aufrechterhalten wurde, denn der Maestro hatte ein sprunghaftes Wesen, das geordnetem Aufräumen zuwiderlief. Er stand nun vor der hinteren Regalwand und suchte die Rücken der Bücher, die überwiegend in edles Leder gebunden waren, nach dem passenden Etikett ab.
    »Ach, hier ist etwas anderes, das uns noch hilfreich sein kann: ›Handbuch der Verschlüsselungen in der Heiligen Schrift‹.«
    Ich wandte ein: »Nur falls die Societät noch die alten Werte der Bibel schätzt – denn es erscheint mir doch eine eher wissenschaftlich orientierte Gesellschaft zu sein.«
    »David, Sie irren: Herr von Mizler selbst ist gläubig, obwohl schon mehrere Zeitungsartikel das Gegenteil behauptet haben. Ich kenne sein Journal sehr gut, die ›Neu eröffnete Musikalische Bibliothek‹. Er bespricht darin musikalische Werke und Schriften und vertritt oft Meinungen, die
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