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Das Mozart-Mysterium

Das Mozart-Mysterium

Titel: Das Mozart-Mysterium
Autoren: Christoph Öhm
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unzweifelhaft auf seine Gläubigkeit schließen lassen. Ah! Hier ist das Heftchen des alten Erzbischofs: ›Der wiederhergestellte Dom des Heiligen Rupert zu Salzburg‹!«
    Mozart blätterte rasch durch die Seiten, hin und wieder durch kurze Ausrufe unterbrochen, und blickte dann strahlend auf: »Hier: ›Das Portal begrüßt den Eintretenden mit mehreren Statuen, auf der untersten von drei Ebenen stehen innen Petrus und Paulus, außen St. Rupert und St. Virgil. Es sind also die Vertreter der Kirche der Welt und des Landes und zugleich die Begründer des alten Domes, an dessen Ort dieses Aedificium dei‹, also ein Gotteshaus, ›neu errichtet und unter Erzbischof Lodrons Ägide geschmücket wurde‹.«
    »Nun haben wir zwei Stufen zu des Rätsels Lösung«, rief ich begeistert aus. »Die Statuen zeigen uns den Weg, denn die Anfangsbuchstaben stimmen überein: P wie Petrus, P wie Paulus, R wie Rupert und V wie Virgil. Außerdem ist in dieser Schrift des Erzbischofs festgehalten, dass der erste Dom von einem Heiligen begründet wurde, dem aus Britannien eingewanderten und später heilig gesprochenen Virgil, und dass der neue Dom von jemandem anderem errichtet wurde. Schade, dass Lodron dessen Namen nicht nennt und nur sich selbst lobt als Neuer­öffner der Kirche und Stifter der Kunstwerke.«
    »Nun denn«, sagte Mozart, »wir werden uns den Innenraum ansehen und sehr wahrscheinlich auf ein Zeugnis des Erbauers stoßen – wenn Bischof Lodron dies nicht beseitigen ließ. Es gab hier allerdings so viele Erzbischöfe in den letzten 200 Jahren, die meist erst in hohem Alter ernannt wurden und bald darauf verstarben, dass ich zugeben muss, nicht die einzelnen Namen zu kennen, zumal ich in Augsburg aufgewachsen bin und erst wenige Jahre hier lebe.«
    Wir warfen uns warme Jacken um und begaben uns ohne Umschweife auf den Weg zum Dom. Es war bereits früher Abend und die Sonne stand tief, als wir ihn erreichten. Obwohl ich nicht zum ersten Mal vor dem Dom stand, war ich erneut tief beeindruckt von dessen Größe und Eleganz, von der hoch aufragenden Fassade aus hellem Marmor mit den zwei breiten Türmen. In drei Ebenen war die Fassade unter den Türmen gegliedert, die Türme selbst nochmals in vier Stufen. Es standen viele Statuen auf den drei unteren Fassadenstufen, auf der Ebene des Portals befanden sich die herrlich gearbeiteten Statuen von Petrus, Paulus, Rupert und Virgil. In der mittleren Ebene standen die vier Evangelisten und auf der höchsten Stufe Christus.
    Ich hatte mehrfach gehört, dass dieses wunderschöne Bauwerk in der Tat im deutschen Sprachraum der früheste Kirchenbau war, in dem eindeutig jener besonders opulente Kunststil ausgeprägt sei. Dieser Stil, in dem, wie mir scheint, alle Künstler die Extreme suchten und extravagante Lichteffekte und eine Verschmelzung von Baukunst, Bildhauerei und Malerei betrieben, wurde damals noch nicht mit dem Begriff bezeichnet, der eigentlich nicht Kunst, sondern im Jargon der Juwelenhändler eine unförmige Perle beschrieb: die ›perla barocca‹.
    Der alte Küster war zu unserem Entsetzen soeben dabei, das Portal zu schließen, und Mozart musste all seine Überzeugungskraft aufbringen (ich erinnere mich nicht, welche Gründe er vorgab), um noch eine halbe Stunde auszuhandeln, in der wir als einzige Besucher im Dom verweilen durften. Allerdings wurde das Portal hinter uns verschlossen und wir mussten dem Küster, sobald wir fertig waren, Bescheid geben, damit er uns aus dem Dom ließ. Es fiel mir auf, dass der Kirchendiener ein besonders alter Mann war, klein, dünn und mit unglaublichen vielen Falten im Gesicht. Es erstaunte mich, dass er in solch hohem Alter noch diesen mühsamen Dienst versah.
    Als wir langsam ins Gewölbe des Domes vortraten, hörte ich, wie der Küster die großen, schweren Riegel am Portal von Innen vorschob, sodass sie mit einem harten Aufprall in ihre vorgesehene Spur fielen. Der Küster ging nun im Schiff umher und zündete einige Kerzen an, denn die Sonne ging langsam unter und das Innere der Kirche wurde in fahles Grau gehüllt.
    Wir betraten das lange und extrem hohe Schiff des Domes, das an das Portal anschloss, und schritten langsam in Richtung der berühmten Kuppel und des Hochaltars am anderen Ende.
    Die Heiligenfiguren im Längsschiff wurden vom flackernden Kerzenschein nur schwach erhellt, es kam mir vor, als bewegten sie sich. Von der hohen Kuppel und dem danach folgenden Altarraum schien nur noch ein schwacher Lichtschein in das
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