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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel
Autoren: Christian Ditfurth
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war. An die Schwester, die sich frisch verliebt hatte nach einer kaputten Ehe mit einem versoffenen Taugenichts. Auch wenn seine Untergebenen ihn erwartungsvoll und ängstlich anstarrten, war Petrow allein, einsamer, als je ein Mensch gewesen war.

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I.

    »Da ist was im Busch.« Klein hob die Unterarme, die Ellbogen blieben auf den Lehnen seines ledernen Chefsessels liegen, seine Handflächen zeigten zum Gegenüber. »Was im Busch. Und sie klopfen drauf.« Er klopfte mit den Händen leicht auf den Tisch. Ein doppelter Ehering. Mit schmalen Augen starrte er den noch jungen Mann mit dem Intellektuellengesicht an, der ihm gegenübersaß, so, wie er es immer tat, wenn ihm etwas wichtig war. Wenn er eine Antwort suchte. Zum Spalt zusammengekniffene Augen in einem knochigen Kopf. Augen, die noch nie gelächelt haben konnten. In denen man lesen mochte, wie hart einer werden musste, der überlebt hatte. Die Angriffe des Feindes, die Machtkämpfe im Dienst, die Intrigen, den Verrat. Und Klein war einer, der es schätzte, hart zu sein.
    Den Verrat.
    »Irgendwas.« Er streckte sich ein wenig, öffnete die Augen, hob die Augenbrauen, senkte sie, hob sie wieder. Augenbrauengymnastik. »Und wir wissen nicht, was.« Er schaute sein Gegenüber an, als müsste der es wissen. Als wäre es eine Enttäuschung, wenn er es nicht wüsste. Er knetete Luft mit den Händen. Dann erst lüftete er das Geheimnis: »Scheffer ist tot. Autounfall. Am Ismailowopark, in der Nähe von den Hotelblocks, Sie kennen die. Mit den griechischen Blocknamen.« Er sagte es beiläufig.
    Scheffer war tot. Autounfall.
    »Sagt die Miliz.«
    Die Moskauer Miliz sagt viel oder nichts. Und immer das, was ihr vorgeschrieben wird.
    Autounfall.
    Theo Martenthaler ließ seine Augen durch die runden Brillengläser die Wand hinter Klein entlangwandern. Ein Regal mit Vorschriften, Gesetzestexten und ein paar Büchern über Osteuropa und Russland. An der Wand ein Landschaftsaquarell, in der Ecke Sessel, grau bezogen, um einen runden Glastisch. Der Blick durch das breite Fenster zeigte Schwärme winziger Schneeflocken, die der Wind fast waagerecht vor sich hertrieb. Weit hinten erkannte man die Mauer, die das BND – Gelände in München-Pullach abschirmte. Hinter der sich schon Gehlen versteckt hatte, nachdem er an einem 6. Dezember hier eingezogen war. Hinter der Felfe gewühlt hatte, der Maulwurf aus dem Osten. Theo Martenthaler hatte schon so oft in Sankt Nikolaus gesessen.
    Er schaute auf Klein, der in den vergangenen sieben Jahren darauf geachtet hatte, dass Theo alles lernte, was ein Spionageprofibeherrschen musste. Klein hatte den Kopf zurückgelehnt und presste die Fäuste zusammen. Martenthaler hatte ihn nur einmal so erlebt. Als Kleins Frau gestorben war. Krebs, hieß es. Aber Klein hatte kein Wort darüber verloren.
    Autounfall am Ismailowopark. Scheffer tot.
    Martenthaler kannte die Betonblöcke. Hotels der Standardkategorie. Teils renoviert, teils noch Sowjetstil. Blick auf den Park mit dem See. Am Horizont, hinter dem Wald, endlose Plattenbauten. Im Wald eine Zwiebelturmkirche, drei Türme. Jeden Morgen ein anderer Sonnenaufgang, mal als Licht hinter einer Wand dunkler Wolken, mal als Feuerkugel am klaren Horizont über dem Wald, der die Feuchtigkeit der Nacht ausdampfte, mal als im Dunst gebrochene weiße Strahlung, die einem in den Augen schmerzte.
    Theo Martenthaler war vor acht Monaten aus Moskau zurückgekehrt. Sein erster gefährlicher Einsatz. Zuvor war er in Rom und Lissabon gewesen, Fingerübungen, Geplänkel, langweilig. Klein hatte ihm Zeit gegeben zu lernen, nachdem er gleich nach dem Studium – Politologie, Osteuropäische Geschichte – an der Berliner Hum boldt-Universität beim BND angeheuert hatte. Theo sei in die Fußstapfen des Vaters getreten, hatte Klein ein mal gesagt. Er hatte es nicht gewollt, das jedenfalls re dete Theo sich ein. Aber irgendwie war er dann doch dabei. Große Fußstapfen. In Russland hatte Theo den alten Scheffer wiedergetroffen und mit ihm zusammen das Chaos in der BND –Residentur geklärt. Georg Schef fer war ein perfekter Agentenführer gewesen, aber eine Residentur leiten, das konnte er nicht. In der freien Wildbahn machte ihm niemand etwas vor, er war fürs Täuschen und Tarnen geboren. Am Schreibtisch aber drohte er zu ersticken, sank seine Laune auf den Nullpunkt.
    Scheffer hatte ihn in Moskau natürlich gleich auf seinen Vater angesprochen, und Theo erinnerte sich sogar an frühere Zeiten, wenn auch etwas
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