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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel
Autoren: Christian Ditfurth
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zuckte mit den Achseln. »Ausschließen kann man es nicht.«
    »Ausschließen kann man niemals gar nichts«, sagte Klein. »Aber solange ich diesen Job mache, hat es so einen Zufall nicht gegeben. Scheffer läuft nicht vor einem Auto über die Straße, das mit laufendem Motor wartet. Er wäre hinten herumgegangen. Der rechnete immer mit allem.«
    »Auch ein Scheffer macht mal einen Fehler.« Theo wurmte es, er witterte in der Erhöhung des Toten die eigene Missachtung.
    Klein schloss die Augen, öffnete sie wieder, starrte auf das Aquarell, als sähe er es zum ersten Mal, dann stierte er Martenthaler an. »Natürlich. Aber keinen tödlichen.«
    »Das heißt, es war gar kein Autounfall? Aber es gab doch Zeugen?«
    »Die wir nicht befragen können. Ich kann mir einiges vorstellen, aber nicht, dass Scheffer dort überfahren wurde. Ende.«
    Gut, dachte Theo. Wenn Klein es sagt.
    »Vielleicht hat er einen toten Briefkasten geleert oder leeren wollen, aber der FSB hat den Briefkasten überwacht und Scheffer umgebracht beim Versuch, ihm das abzunehmen, was drin gelegen hat. Aus Versehen. Hat jemand anders nachgeschaut, ob der Briefkasten noch belegt ist? Es muss dann doch auch ein Vorzeichen geben.«
    »Natürlich. Aber der Kollege, den wir geschickt haben, kennt das Vorzeichen natürlich nicht. Und er hat sich nicht getraut, weil er glaubt, dass die Russen am Briefkasten auf der Lauer liegen. Straßenarbeiter, die eher so taten, als würden sie arbeiten. Sagt der Kollege. Aber wir wissen ja, ein toter Briefkasten ist der beste Ort, einen Spion zu fangen.« Klein putzte sich die Nase. »Sie sollten sich mit Großmann zusammensetzen. Das ist unser Resident in Moskau, stellvertretender Kulturattaché. Sie kennen ihn nicht, glaube ich. Er war schon mal in Moskau, vor Ihrer Zeit. Eigentlich verdankt er es Ihnen, dass er das zweite Mal dort hindurfte. Hätten Sie nicht aufgeräumt …«
    »Natürlich. Ich rekapituliere: Wir wissen nicht einmal, ob der Briefkasten leer oder belegt ist. Also auch nicht, wo die Speicherkarte ist. Wir können das zurzeit nicht überprüfen und werden es wohl nie herausbekommen, weil der FSB auf der Lauer liegt.«
    »Ja«, sagte Klein. »Und wenn sie nicht mehr auf der Lauer liegen, dann finden wir nichts mehr im Briefkasten. Es ist zum Kotzen. Aber wir wissen oder, ehrlich gesagt, ahnen etwas anderes. Dass es nämlich gar nicht um diesen Briefkasten geht. Wenn Scheffer ermordet worden ist und die Russen das als Unfall tarnen, dann steckt dahinter eine große Sache. Irgendeine Sauerei. Ich weiß aber nichts von einer großen Sache, und ich müsste es doch wissen. Scheffer hätte es berichtet, gerade wenn er gefürchtet hätte, dass es gefährlich würde.« Er verfiel in Schweigen, und Theo fand es bald fast schmerzhaft, den Mann schweigen zu sehen, während irgendetwas in ihm arbeitete. Seine Stirnhaut bewegte sich, und er schien sachte zu kauen. »Außerdem, heute wird in unserem Geschäft nicht mehr gemordet, jedenfalls nicht in Moskau. Es gibt dafür keine Gründe mehr, was wir da tun, ist läppisch im Vergleich zu früher.« Er blickte Theo in die Augen. »Vielleicht hängt die Sache gar nicht mit Scheffers letztem Moskauaufenthalt zusammen«, sagte er endlich. Dann schwieg er wieder eine Weile. »Er war ja auch Anfang der Achtzigerjahre dort. Zusammen mit Ihrem Vater. Wenn es also nicht mit einem heutigen Unternehmen zusammenhängt, und ich könnte wirklich keines nennen, das einen Mord rechtfertigte, dann liegt der Hund womöglich in der Vergangenheit begraben.«
    »Gewiss«, sagte Theo, um etwas zu sagen.
    »Diese Meinung vertritt übrigens besonders vehement unser Geheimdienstkoordinator, dieses Genie in Berlin«, sagte Klein. Und noch einiges mehr.
    Zurück in seinem Büro, schaute Theo auf die Enden seiner Hosenbeine. Sie waren ein wenig zu lang, bedeckten einen Teil der Schuhe. Theo war zufrieden.
    › ‹
    Generalleutnant Kasimir Jewgonowitsch Eblow stand unbewegt am Fenster und starrte hinaus in den Schnee auf dem Lubjankajaplatz. In der Fensterscheibe verschmolz seine schemenhafte Gestalt mit dem Widerschein des matten Lichts der Laternen, die den Platz beleuchteten. Dort, wo früher die Statue Feliks Dserschinskis gestanden hatte, bis wild gewordene Rowdys sie mithilfe eines Krans ausgerechnet der deutschen Firma Krupp vom Sockel rissen, dort, wo für den General jetzt die Leere das Symbol der neuen Zeit war, schiss ein Hund auf die Straße, unbekümmert vom Verkehr, der sich mühsam
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