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Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Titel: Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
Autoren: Kathleen Bryan
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sich ausruhen.« Sie schüttelte erbittert den Kopf. »Er lag gestern Abend nicht im Sterben. Er war alt und krank, aber er hatte noch Leben in sich. Irgendetwas — oder irgendjemand — hat es ihm entrissen. Seht ihn an! Sieht er aus, als wäre er eines natürlichen Todes gestorben?«
    »So sehen die Toten aus«, sagte Bernardin. Er erhob sich steifbeinig und streckte die Hand aus. »Comtesse, ich trauere mit Euch. Aber hier ist kein Mord geschehen.«
    »Ihr seid blind«, erwiderte sie. Sie schüttelte seine Hand ab und funkelte alle böse an, die vielleicht vorhatten, sie zu trösten. »Schickt nach dem König. Seid höflich, wenn es sein muss, aber schafft ihn her.«
    »Comtesse —« Das war der Erzbischof, Bernardin hatte die Lippen zusammengepresst.
    »Schickt nach dem König«, wiederholte Averil, so ruhig, dass sie alle zusammenzuckten.
    Einer der Schreiber gehorchte ihr schließlich und eilte mit wehenden Gewändern davon. Sie prägte sich sein Gesicht für später ein, um ihn zu belohnen oder zu bestrafen, je nach dem, was er verdiente.
    Sie war jetzt die Herzogin. Dieser Gedanke war völlig klar. Gamelin, der Bluthund des Königs, konnte ihren Namen und ihre Abstammung bezeugen. Bernardin würde es bestätigen. Die Übrigen würden es akzeptieren müssen. Sie hatten keine andere Wahl.
    Sie setzte sich neben das Bett ihres Vaters — neben sein Totenbett. Alles an ihm deutete daraufhin, dass Bernardin Recht hatte; Urien war gestorben, wie alte Männer sterben. Averils Irrtum war zurückzuführen auf ihre Erschöpfung und die Torturen ihres Exils. Ihr Vater war eines natürlichen Todes gestorben. Aber ihr Herz beharrte darauf, dass es eine Lüge war. Sie war dabei zu lernen, dieser leisen Stimme zu vertrauen.
    Die Schar der Leute beobachtete sie, als wäre sie eine Schlange kurz vor dem Angriff. Als sie sich weder bewegte noch sprach, wagten sie nach und nach sich zu regen und machten sich daran, ihre Pflichten am Totenbett eines Herzogs zu erfüllen.
    Der Erzbischof sprach die Worte des Segens und Abschieds zu der Seele, die schon seit Stunden fort war. Die Schreiber notierten sie; die Diener standen bereit, den Körper des Toten zu waschen und für die Beerdigung vorzubereiten.
    Zwei der Diener waren Frauen, und sie hatten Kleider für Averil mitgebracht. Eine ganze Weile nahm sie keine Notiz von ihnen, aber als der Erzbischof sein Ritual vollzogen hatte und es offenkundig war, dass die Dienerinnen warteten, ließ sie sich in einen der inneren Räume geleiten.
    Gereint und Bernardin hielten noch immer Wache bei ihrem Vater. Bernardin mochte ihr nicht glauben, und Gereint mochte sich nicht sicher sein, aber sie ehrten sowohl Averil als auch den Herzog mit ihrer Treue. Es war besser als nichts.
    Averil stand da und ließ sich von den beiden Dienerinnen ankleiden, das Haar kämmen und flechten, damit sie für den Empfang eines Königs bereit war. Eine machte eine düstere Miene und schwieg. Die andere weinte leise, während sie arbeitete, aber ihre Hände zitterten nicht.
    Die Diener hatten Herzog Urien geliebt. Sie kannten Averil überhaupt nicht. Sie ahnte, welches Urteil die beiden über sie gefällt hatten. Das würde sich ändern müssen. Sie begann damit, ihre innere Anspannung zu lockern. Den Zorn verbarg sie so tief wie möglich. Es war nicht angemessen zu lächeln, aber sie dankte ihnen freundlich für ihre Dienste.
    Die grimmige knurrte. Die traurige reagierte nicht. Aber sie würden sich erinnern. Diener vergaßen nie etwas.
    König Clodovec brauchte nur bis zum Mittag, um Averils Aufforderung Folge zu leisten: ein Beweis dafür, wie viel Gewicht er ihr beimaß. Er fand den Herzog feierlich aufgebahrt in seiner Halle, gekleidet in königliche Gewänder unter einem Sargtuch aus Silber.
    Averil saß zu Füßen des Toten auf einem der herzoglichen Stühle. Er war niedriger als der Thron auf der Empore, aber unverkennbar majestätisch. Er war aus Ebenholz und mit Silberarbeiten verziert, an Rücken- und Armlehnen glitzerten kristallene Schutzzauber. Die Krone des Herzogs lag in ihrem Schoß. Sie war sehr schlicht, ein silberner Reif mit einem dunklen Sternsaphir, und so groß wie eine Kinderfaust. Das Herz des Herzogtums war eingeschlossen in dem Stein, sowohl seine Magie als auch seine Menschen. Wenn sie ihn berührte, war er warm wie Fleisch, aber hart und glatt wie das Skelett der Erde.
    Die erste Totenmesse war gesungen worden. Die zweite würde mit Anbruch der Dunkelheit beginnen. Der Chor, der
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