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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition)
Autoren: Katie Hickman
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Constanza«, ächzte Carew. »Endgültig und rundum erledigt.«
    Constanza kam nicht mehr dazu, die zweite Frage, wer denn nur Ambrose sei, zu stellen, denn durch das geöffnete Fenster drang das knarrende Geräusch einer Gondel, die unten anlegte. Dann ertönten gereizte Männerstimmen und schließlich fiel ein schwerer Gegenstand klatschend in den Kanal.
    Constanza setzte sich wieder an den Tisch und mischte mit leicht zitternden Händen die Karten ein weiteres Mal. Die Kelche, die Schwerter, die Münzen, die Stäbe. Der Zauberer, schon wieder. Jedes Mal, wenn sie die Karten gelegt hatte, war diese Karte aufgetaucht. Die Stimmen entfernten sich. Niemand wollte etwas von ihnen.
    »Dio buono!«
    »Ich dachte, dass er es wäre!«
    »Und ich …«
    Sie wechselten einen Blick und fanden beide die eigene Unruhe im anderen gespiegelt.
    »Ihr habt nichts zu befürchten, Constanza«, begann Carew.
    »Ich weiß«, unterbrach sie ihn mit abgewandtem Blick.
    »Ich lasse nicht zu, dass er …«
    »Paul? Er würde mir nie etwas tun.«
    Carew öffnete den Mund zu einer Erwiderung, aber dann besann er sich eines Besseren. In erster Linie musste er vermeiden, dass sie sich genauer nach Ambrose Jones erkundigte. Er hatte schon zu viel verraten. Mit Ambrose Jones hatte er seine privaten Pläne, die nicht zu früh ans Licht kommen durften, sonst würde er tief in der Klemme stecken. Es war ohnehin zu spät, sie rückgängig zu machen. Ambrose war entweder seine Rettung oder sein Ruin. Man würde sehen.
    Wie lange sie noch gewartet hatten, hätte er später nicht sagen können. Von Zeit zu Zeit hörte er die Glocken von Santa Maria Maggiore, der neuen Kirche jenseits des Canal Grande, die mit ihrem hellen Klang die Viertelstunden schlugen. Einmal, tief in der Nacht, musste er trotz allem eingenickt sein, denn als er wach wurde, lehnte er zusammengesunken am Fenster und wurde sich plötzlich bewusst, wie dunkel es auf einmal war. Die Kerzen in den schweren silbernen Haltern waren heruntergebrannt, ihr Wachs hing wie dicke Spinnweben herab und hatte auf den Steinplatten am Boden perlmuttfarbene Lachen gebildet.
    Constanza saß noch immer vor ihren Tarotkarten. Schlief sie denn nie? Carew betrachtete die Kurtisane im schwach flackernden Licht der Kerze auf dem Tischchen. Wie alt mochte sie sein? Schwer zu sagen. Sein Herr, Paul Pindar, Kaufmann der Levante-Kompanie, nannte sie eine Sphinx, sagte, sie sei alterslos. Er selbst, John Carew, Pindars Diener und ein durch und durch praktischer Mensch, wusste, dass sie weit über dreißig sein musste, wenn nicht sogar noch älter. Demnach alt, aber auch wieder nicht. Er sah zu, wie sie die Karten durch die Hände gleiten ließ. Sie trug das Kleid, das Pindar ihr geschenkt hatte, als er und Carew aus Konstantinopel zurückgekehrt waren: eine ärmellose Robe, wie sie hochgestellte osmanische Damen besaßen, aus blutrotem Damast, verziert mit Tulpen aus Goldfäden. Da sie das Gewand an der Taille offen trug, sah man darunter ein Unterkleid aus feinstem Batist, dünn wie eine Gazewolke. Es war am Hals und an den Ärmeln mit Rocailleperlen bestickt. Sonst kein Schmuck. Die dunklen Haare hingen ihr locker um die Schultern. Sie war die einzige Frau der christlichen Welt, für die Carew vom ersten Moment an so etwas wie Respekt empfunden hatte. So viel Respekt, dass er sich nicht einmal gefragt hatte, wie es wohl wäre, wenn er mit ihr … Wie sie schmecken und riechen würde, nun ja, aber nicht detailliert und nicht oft.
    Constanza spürte, dass sie beobachtet wurde.
    »Ihr seht aus, als hättet Ihr geschlafen.«
    »Ich weiß nicht recht.« Carew reckte die Glieder. »Und Ihr?«
    »Ich? Nein.« Sie lächelte ihn versonnen an.
    »Warum tun wir das? Was meint Ihr?«, fragte er, bevor er sich daran hindern konnte.
    »Wer weiß?« Constanza zuckte die Achseln. »Weil wir ihn lieben?« Sie legte den Kopf schief. »Weil Ihr und ich, entgegen allem Anschein, uns recht ähnlich sind?«
    Carew ging nicht auf ihren neckenden Tonfall ein. »Schmeichelt Euch nicht«, antwortete er düster.
    Constanza öffnete erstaunt die Lippen, dann warf sie plötzlich den Kopf zurück und lachte herzlich. »Ich gebe mich geschlagen. Dafür, Carew, lese ich Euch jetzt endlich die Karten.«
    Sie legte vier Karten auf das Tischchen und starrte konzentriert darauf. Wieder hörte er sie mit der Zunge schnalzen.
    »Was ist?«
    Sie schob die Karten zusammen und schien aus einer tiefen Versenkung aufzutauchen. »Nichts ist.
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