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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte
Autoren: Mikael Niemi
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Landestelle und zerrt an der Kapselöffnung, obwohl sie von der Reibung immer noch brandheiß ist, und das Erste, was sie hört, ist die mündliche Nachricht von einem kleinen Mikrochip, unsere Hurra rufenden Besatzungsstimmen mit den wärmsten Wünschen für ihr Wohlergehen:
    »Gute Arbeit! Halte durch. Wir hoffen, der Nougat schmeckt.«
    Sie hebt ein letztes Mal ihre mageren Vogelarme zu den Wolken hoch und sieht uns verschwinden. Früher oder später wird jemand kommen, das ist unvermeidlich. Jemand Neues, der weitermacht. Der ihre Arbeit weiterführen wird.

    Traumsafes

    eue Roader stellen einem häufig die Frage: Hast du eine Kofferliste? Was muss ich unbedingt mit ins Weltall nehmen?
    Die Antwort ist ganz einfach. Nichts. Persönliches Gepäck ist schlicht und einfach verboten, aus dem einfachen Grund, um das Gewicht so gering wie möglich zu halten. Jede hundert Gramm extra kosten ein Vermögen an Treibstoff, wenn man in Lichtjahrenentfernung reist, und die Firma beschlagnahmt gnadenlos von jedem Anfänger Fotoalbum, Erinnerungssteine vom Sommerhaus oder Tüten mit Lieblingssüßigkeiten. Aber Kleidung, wirst du einwenden. Gibt es bereits an Bord, hässlich, aber man gewöhnt sich daran. Ebenso Hygieneartikel. Aber doch jedenfalls ein Buch? Ja, sicher, Bücher kannst du mitnehmen, so viele zu willst, falls die Bordbibliothek dir nicht reichen sollte. Du musst sie jedoch digital in dein persönliches Archiv im Bordcomputer einscannen. Das einzige Objekt, das du mitnehmen darfst, das ist dein eigener nackter Körper, geröntgt und darmgespült. Nicht nur ein Roader hat vergebens versucht, so überflüssige Dinge wie eine Halskette oder Eheringe mitzuschmuggeln, indem er sie verschluckt hat.
    Aber es gibt ja den Traumsafe. Der ist erlaubt. Der enthält die allerpersönlichsten Besitztümer eines Roaders, er ist das einzige konkrete Objekt, das du mitnehmen darfst. Der Traumsafe besteht aus sechs kleinen, durchsichtigen, hermetisch verschlossenen Zylindern, die dir das Leben retten können.
    Als Roader kann man nie wissen, wo man einmal landen wird. Man glaubt, man wäre auf dem Weg zu den Magellanschen Wolken, man steuert auf sie zu, es gibt Fahrtrouten und Fahrpläne, nach denen man sich richten kann. Doch allzu oft geschieht das Unerwartete. Ein technischer Kollaps, Weltraumpiraten, stark erhöhte Zollabgaben oder politische Verwicklungen, die dich dazu zwingen, verwinkelte Umwege zu nehmen. Es gibt viele Roader, die die Erde niemals wiedersehen. Man nimmt als Sechzehnjähriger eine Stelle als Moses auf einer Regionalfähre an, um sich während der Schulferien ein paar Kröten zu verdienen, wird wegen eines Gewerkschaftskonflikts auf irgendeiner nahe gelegenen Raumstation mit Embargo belegt, also versucht man auf eigene Faust nach Hause zu kommen, gerät aber vollkommen vom Weg ab. Und in Nullkommanichts ist man zehntausend Lichtjahre von daheim entfernt. Und kommt erst als runzliger Greis zurück zur Erde – wenn überhaupt. Dann sind die Eltern natürlich schon seit langem tot, und mit großer Wehmut hört man ein letztes Mal die Birken rauschen und die Singdrossel singen.
    Dies ist der Grund, warum der Traumsafe obligatorisch ist. Wie kurz die Reise auch sein mag, du musst ihn immer bei dir haben. Du kannst ihn früher brauchen, als du denkst. Er kann Hoffnung und Lebensfreude erwecken, eine lähmende Depression lösen oder dir das Schwindel erregende Gefühl wiederschenken, dass es dich gibt.
    Im Traumsafe kannst du sechs verschiedene kleine Zylinder mit allem füllen, was dir von der Erde fehlen wird. Alles ist erlaubt. Fast. (Man sollte ja meinen, dass die Leute ihren gesunden Menschenverstand benutzen, aber es gibt immer wieder Idioten, die hartnäckig versuchen, Plastiksprengstoff mitzunehmen, angereichertes Uran oder Pockenviren.)
    Sechs kleine persönliche Erinnerungsstücke, jedes ein paar Gramm schwer, und du hast die gesamte Erdkugel dabei, den Planeten, auf dem du geboren wurdest und den du vielleicht niemals wiedersehen wirst. Sechs Dinge. Bitte schön.
    Viele entscheiden sich dafür, Erde mitzunehmen. Gewöhnlichen Mutterboden. Oft von einem ganz bestimmten Platz, wie etwa der Walderdbeerenecke beim Sommerhaus, aus Großmutters Pelargonienkasten im Kammerfenster oder vom Waldfriedhof des Geburtsortes, gern mit beigefügten Anweisungen:
    »Bei meinem eventuellen Ableben im Weltraum ist es mein letzter Wille, vakuumgetrocknet, zermahlen und mit dieser Erde meines Heimatplaneten vermischt zu
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