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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte
Autoren: Mikael Niemi
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werden, um anschließend ausgestreut zu werden, entweder in Richtung Erde/auf dem nächstgelegenen festen Himmelskörper/unter einem blühenden Baum auf dem nächstgelegenen festen Himmelskörper mit organischem Leben/wo auch immer, nur nicht im Schiffskompost.«
    Fast genauso beliebt ist sonderbarerweise Scheiße. Du rümpfst darüber vielleicht die Nase, aber wir erfahrenen Roader wissen, worum es dabei geht. Um den Geruch. Es gibt nur wenige Dinge, die ein verwirrtes Weltraumfahrergehirn so effektiv klären helfen wie ganz gewöhnlicher, ehrlicher Dung. Wir Skandinavier scheinen Kuhmist vorzuziehen. Der Geruch eines matschigen Kuhfladens kann uns dazu bringen, dass die Augen feucht werden und Tränen der Sehnsucht rinnen. Die Heuwiesen der Kindheit, von Mücken zerstochene Beine, Hummelgesumm, Erdbeeren und Milch in einer Schale im frisch gemähten Gras. Andere Kulturen ziehen Kameldung vor oder auch den Kot von Pferden oder Eseln oder sogar den von Rhesusäffchen. Richtig abgehärtete Roader nehmen – man höre und staune – auch menschlichen Stuhl mit sich. Meistens den eigenen. Vor der Abreise von daheim genießt man noch einmal sein Lieblingsessen, beispielsweise Hering und Kartoffeln als Vorspeise, dann in Butter gebratene Frikadellen, braune Bohnen mit Speck, Hähnchenschenkel in Currysauce, in Senf gratinierte Schweinerippchen, ein Stück Salamipizza und cayennescharfen Jambalaya mit Krabben, und als Dessert echtes Vanilleeis mit Karamellsauce und Kaffee und obendrauf ein kleiner, hauchdünner, knackiger Pfefferminztaler.
    Am nächsten Tag verrichtet man seine übliche Notdurft und stopft ein wenig von dem Ergebnis in einen der Vakuumzylinder. Das kann für denjenigen, der noch nie im Kosmos gewesen ist, schockierend erscheinen. Doch Tatsache ist, dass die eigene Notdurft draußen im Weltall ganz anders riecht. Jeder erfahrene Roader weiß das nur zu genau. Das liegt natürlich am Weltraumessen. Nach nur wenigen Wochen muffelt alles, was man von sich gibt, nach altem Plastik: eine Mischung aus verbrannten Bremsbelägen, Nähmaschinenöl und Magnesium. Nach einer Weile kann es dazu kommen, dass man den eigenen Körper verabscheut. Man fühlt sich nicht länger als Mensch. Dann kann der Zylinder deine Rettung sein, ein kurzes Schnüffeln, ein Plumpsklo mit Herz in der Tür, und man spürt wieder festen Boden unter den Füßen.
    Erde und Dung. Es sind noch vier Zylinder übrig.

    Einige nehmen etwas zu essen mit. Es passen ja nur ein paar Teelöffel voll hinein, aber es geht um die Erinnerung, die man bewahren möchte. Die Geschmackserinnerung. Als Tornedaler habe ich es mit Moltebeerenmarmelade versucht, mit diesem goldenen, dampfenden, sonnenbeschienenen Moor, das sich vor mir auftut, wenn ich die Augen schließe. Oder mit ein paar Fasern getrockneten Rentierfleischs. Sonnengetrocknet unter dem Dachfirst im Märzwinter in Mukkakangas, während die Eiszapfen klare Tropfen vom winterlichen Schnee fallen lassen. Andere bevorzugen Fisch. Gerade der Fischgeschmack ist nahezu unmöglich in einer künstlichen Weltraumküche zu rekonstruieren, und in erster Linie sind es Norweger, Portugiesen und Japaner, die gern ein Stückchen fest zusammengerollter Fischhaut mitnehmen, auf der sie herumkauen oder an der sie schnuppern, wenn es ihnen am allerschlechtesten geht. Einige Feinschmecker nehmen Beerenburgschnaps aus Friesland oder einen Schluck jahrhundertealten Cognac mit, den sie an ihrem bevorstehenden fünfzigsten Geburtstag zu trinken gedenken. Wieder andere bevorzugen Tabak. In einen Zylinder des Traumsafes passt nur eine einzige zusammengedrückte Zigarette, man kann natürlich auch ein paar Portionen Schnupftabak hineinpressen. Ich habe Nikotinsüchtige gesehen, wie sie ihren Traumsafe hervorholten und die einsame kleine Zigarette mit solch einer glühenden Liebe anstarrten, dass sie am ganzen Körper zu zittern begannen. Irgendwann einmal werden sie sie anzünden. Irgendwann einmal während dieser langen Weltumsegelung rund ums Universum. Diese zusammengedrückte Zigarette. Mit feuchten Augen werden sie sie rauchen, nackt auf dem Sofa in der Panoramakabine liegend, alle Lampen ausgeschaltet und mit dem Sternenmeer des Weltraums wie Millionen von Stecknadeln dort draußen, während das Nikotin seine weißen Krallen in jede Hautpore bohrt.
    Die Raumfahrer mit Familie nehmen ab und zu eine Haarlocke ihrer Verlobten/ihres Verlobten oder der Ehefrau/des Ehegatten mit. Doch das scheint manchmal das Heimweh nur noch
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