Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte
Autoren: Mikael Niemi
Vom Netzwerk:
Steinen.
    Ich zog vorsichtig an der Rückenflosse. Sie löste sich, der Fisch war gar. Am Feuer sitzend, begann ich mit den Fingern zu essen. Ich löste das weiße Fleisch von den nadeldünnen Gräten und stopfte es mir in den Mund. Es war, als äße ich warmen Schnee. Ein zarter Geschmack, ein Hauch von Rauch. Fluss und Feuer. Ich schloss die Augen, um die Erinnerung zu bewahren. Versenkte sie in meinem weichen Herzen.
    Satt und zufrieden wanderte ich in Richtung Landungssteg. Die Bretter wiegten sich unter meinem Gewicht, das Wasser gluckste und schwappte. Ich ging auf dem Wasser. Ich spazierte auf der Flusshaut, die direkt unter meinen Füßen strömte. Draußen auf einem Floß schwamm die Sauna selbst, mit Ketten in der Flussströmung verankert. Sie war aus Brettern zusammengenagelt, ein kleines, hübsches Holzhaus, das auf dem Wasser schaukelte.
    Die Hitze schlug mir entgegen, als ich in den Vorraum trat. Erwartungsvoll zog ich mich aus, hängte meine Kleider an die Haken. Als Allerletztes öffnete ich mein Saunabier, trank den ersten, schäumenden Schluck. Schmeckte das Malz, die zischende Frische in der Kehle. Dann öffnete ich die Tür zum Saunaraum selbst. Die Hitze war stark und harzig. Ich schob die glühend heiße Ofenklappe mit einem Stock auf, stocherte in ein paar Holzscheiten und kletterte auf die oberste Liege. Die Kupferkelle funkelte im Eimer. Ich ergriff den abgenutzten, glatten Holzgriff und füllte die Kelle, hielt sie einen Moment lang hoch und sah, wie das Flusswasser über die Kante lief.
    Dann goss ich. Der Wasserkörper rieselte durch die Luft, schlug auf die Steine auf und wurde in reißenden, beißenden Dampf verwandelt. Ich goss noch einmal und spürte, wie die Ohrläppchen brannten, beugte mich schwerfällig vor und atmete durch die geballte Faust. Meine Finger rochen immer noch nach Fisch. Und ich fühlte so ein Glück. So ein innerliches, verletzliches Glück.
    Das Tornedal.
    Das sollte es immer geben. Ich würde es mit mir durch Lichtjahre hindurch tragen.
    Hinten von Mommankangas ist plötzlich Düsenjetdröhnen zu hören. Etwas Schweres, Dunkles zischt in der Stille, es klingt wie eine P 42, eine von der Bereitschaft. Die letzte Nacht, denke ich. Die letzte Nacht auf der Erde.
    Dampfend heiß gehe ich hinaus auf die Plattform. Dort stehe ich, die Abendsonne in den Augen, und stoße mich mit meinen nackten Füßen von den Bodenplanken ab. Dann schieße ich hinaus, kopfüber mit breiten Schulterblättern. Segle.
    Mit offenen Sinnen nähere ich mich der Wasseroberfläche. Mein Zeigefinger berührt die Wasserhaut mit der alleräußersten Fingerspitze. Sie wölbt sich, hält jedoch dagegen, diese glänzende Oberflächenspannung. Unten aus der Tiefe steigt mein Abbild im Spiegel herauf. Ein Zwilling, voller Dunkelheit. Es ist der Fluss, der mich anstarrt, der seinen Finger meinem entgegendrückt.
    Gleich werde ich überspült, im nächsten Moment.
    Doch hier wollen wir innehalten, lasst uns diese Szene im sanften Licht betrachten. Eine glänzende Wasserschicht gegen eine steif aufgerichtete Fingerspitze. Ein dampfender Menschenkörper, der auf dieser bebenden Haut balanciert. Ein nacktes, schwebendes Zwillingspaar, und zwischen ihm die Wasseroberfläche wie ein funkelnder Text, ein schwarzer, sich spiegelnder Sternenhimmel.

    Die Erde

      ch saß eines unterirdischen Abends im Roadercafé auf dem Asteroid Wichssocke. (Es gibt etwas, das mich bei Science-Fiction-Filmen immer ärgert, und zwar diese langweiligen, stereotypen Namen der fremden, bewohnten Himmelskörper. Alle heißen sie Epsilon, Centaurus und ähnlich fantasielos. Oder noch schlimmer, sie bestehen aus Buchstabenkombinationen, bei denen immer ein X vorkommt, wie XCT, WXQ-Alpha und Ähnliches. In Wirklichkeit haben die Planeten ja fast immer auffällig alberne Namen, die in den Ohren anderer Zivilisationen oft total bescheuert klingen.) Ich saß also wie gesagt an einem Plastiktisch auf dem Asteroid Wichssocke, nippte an einem Glas vulkanischem Joghurt und glotzte durch die Frontscheibe hinunter auf den schmutzig grauen Beton des Hangars, auf dem wir gelandet waren, um Brennstoff zu tanken. Es gibt nur wenige Orte, die so deprimierend sind wie diese öden Servicestationen entlang des äußeren Erzgürtels. Alles ist nur Warten, blinkende Leuchtstoffröhren, ein Sternenhimmel voll brennender Einsamkeit, eine Ecke mit abgefuckten Spielautomaten, an denen ein vierbeiniger Grubenarbeiter seine sauer verdienten Groschen loswird.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher