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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte
Autoren: Mikael Niemi
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sich zu einzelligen Tieren zu entwickeln. Und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit. Fische. Dinosaurier. Säugetiere. Und das Äußerste von allem, der Funke, der die Welt erleuchtet. Intelligentes Leben.
    Und ich war derjenige, der all das geschaffen hat, denkt man. Mir ist das alles zu verdanken.
    Tausende von Jahren ziehen vorbei. Die menschlichen Überreste bleiben liegen, verwittern und bleichen aus, um schließlich ganz zu verschwinden. Das Raumschiff fällt in sich zusammen, verrostet und wird von hunderttausend Regen ins Meer hinausgespült. Bald ist jede Spur des Besuchers verwischt. Das Einzige, was es noch gibt, das ist das Leben an sich. Die Schöpfung. Das Wild, das in den Wäldern und auf den Savannen äst, der silberne Strom in der Meerestiefe, die zitternden Ausrufungszeichen der Insekten, ja, all das springende, schwimmende und fliegende
    Fleisch, das den Planeten überzieht. Und mit diesem Bild im Kopf kann man von seinem Leben Abschied nehmen, vollkommen ruhig und versöhnt.
    Andere Ponoristen haben noch gewaltigere Visionen. Wenn sie schließlich ihren Traumplaneten gefunden und dort den Lebensprozess initiiert haben würden, wollten sie eine ungemein kraftvolle Sendestation bauen. Die dann über den gewaltigen kosmischen Abstand hinweg ein Signal zurück zur Erde schickt.
    »Der Grundstein ist gelegt«, sollte die Botschaft lauten. »Ich habe den Prozess in Gang gebracht.«
    Und später sollten neue Schiffe folgen. Mit der ganzen Familie. Mit Baumaterial. Käfige mit Insekten und vielleicht mit Vögeln und kleinen Säugetieren. Damit die Schöpfung noch rasanter an Fahrt zunehmen könnte.
    Einige weibliche Ponoristen ziehen es jedoch vor, auf eigene Faust zurechtzukommen. Tiefgefroren im Inneren des Schiffs verwahren sie männliches Sperma. Und wenn sie ihren Planeten gefunden haben, wollen sie sich selbst befruchten. Ein Kind nach dem anderen von verschiedenen Vätern gebären, weiße, schwarze, Asiaten, Aborigines. Alles, um die genetische Basis zu verbreitern. Und wenn die Kinder herangewachsen sind, so viele, wie sie zu gebären in der Lage sind, dann sollen die Töchter sich weiterhin inseminieren. Generation nach Generation von Kindern aus allen genetischen Ecken der Erde.
    Die Kinder der ersten Generation werden Halbgeschwister sein, die der zweiten Generation Viertelgeschwister, und so weiter. In Einzelfällen wird die Inzucht durchschlagen, aber es werden ausreichend viele gesund bleiben und heranwachsen, um das Geschlecht weiterzuführen. Das Menschengeschlecht. Man wird eine neue Menschheit bekommen, eine ganze neue Welt. Und alle werden aus dieser ersten Gebärmutter stammen. Wie Adam und Eva. Obwohl: ohne Adam. Ohne die männliche Erbsünde.
    Auf den allerlängsten Weltraumtouren kann man ab und zu auf sie stoßen. Auf die Kolonisatoren. Die sich dort draußen im Kosmos niedergelassen haben, dort angefangen haben, zu bauen und etwas anzubauen. Mitten auf einem Wüstenplaneten mit Salzwasserseen kann man einen kleinen grünen Fleck sehen, der zu einer einladenden Oase anschwillt. Auf einem Mond mit dünner Atmosphäre und vulkanischem Kern sieht man Wohnhöhlen, die direkt in die rostfarbenen Klippen gehauen sind, es ist jeweils nur das Eingangsloch zu sehen, wie ein riesiger Schweizer Käse. Wir Roader bewundern diese Siedler, während wir sie gleichzeitig für komplett verrückt halten.
    Es kommt vor, dass wir ihnen eine Kapsel hinunterschicken. Eine Müllkapsel mit ein paar alten Solarzellen, abgenutzten, aber noch funktionierenden Bohrern und anderem Handwerkszeug, einem Knäuel Elektrokabeln und einem klappernden Generator, Entsalzungschemikalien, schmerzstillenden Tabletten, ein paar Gemüsesamen aus dem Gewächshaus und anderem, was eigentlich niemand vermisst. Plus natürlich ein paar Süßigkeiten, eine Tüte mit Schweizer Schokoladenpulver, gefriergetrocknete italienische Feigen, ein Schluck Whisky von den Hebriden in einer Ionentüte und ein brandneues Nachrichtenbulletin darüber, was sich im Augenblick auf der guten alten Mutter Erde abspielt. Dann schießen wir die Kapsel hinunter, an einer Rauchfackel befestigt. Weit unten kriecht eine weißhaarige Greisin aus ihrem Loch und sieht, wie die Tonne herabschwebt. Die qualmende Rauchfeder fällt durch den Luftraum und prallt in ihrer Nachbarschaft auf den Boden. Es ist das erste Mal, dass das geschieht, seit sie sich hier niedergelassen hat, vierzig lange Jahre ohne jeden menschlichen Kontakt. Jetzt eilt sie zur
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