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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes
Autoren: Bethany Griffin
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hast so viele Narben«, sage ich sanft.
    Seine Muskeln spannen sich an. Ich weiß, was ich getan habe. Er hat mich schon einmal die Narben von Prosperos Folter anfassen lassen. Aber ich habe nie ihr ganzes Ausmaß gesehen. Er war noch ein Junge, als er das hier erlitten hat. Kein Wunder, dass er Prospero so schrecklich hasst.
    »Du ballst deine Hände zu Fäusten«, sage ich. Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Ich nehme eine seiner Hände und öffne die Finger leicht, zwinge ihn, sie zu entspannen, verschränke seine Finger mit meinen eigenen. »Es tut mir leid.«
    Er schließt die Augen, und als er sie langsam öffnet, ist er wieder bei mir. Nicht nur bei mir, sondern auf mich konzentriert. Seine Aufmerksamkeit jagt Schauer durch mich hindurch.
    Die Luft in der Kabine ist unnatürlich unbewegt. In diesem Moment sind Elliott und ich die einzigen Menschen auf der Welt.
    Er rückt näher, ganz geschmeidige Anmut und Kraft, wie eine große Katze. Etwas Gefährliches. Aber ich fühle mich nicht wie Beute. Nicht so richtig.
    Wir sehen uns an. Ich kann ihm nicht trauen, aber trotz seiner verborgenen Motive hat er mich nie im Stich gelassen. Seine freie Hand ist an meiner Taille, schlängelt sich um mich herum, zieht mich näher und näher zu sich heran.
    Die Tür öffnet sich quietschend.
    »Tut mir leid, dass ich euch störe«, sagt Will. Er bleibt auf der Türschwelle stehen, und die Kerzen im Raum hinter ihm ziehen seinen Schatten in die Länge. Will ist groß, aber nicht substanzlos wie der Schatten, der über mich und Elliott fällt. Über das Bett. Als Will die Kabine betritt, fallen seine dunklen Haare nach vorn. Trotzdem können sie nicht verbergen, dass seine Wangen gerötet sind, als wäre er verlegen – oder aufgebracht.
    Ich bewege mich von Elliott weg, und mein eigenes Gesicht wird ebenfalls heiß. Von allen Leuten, die mich hier zusammen mit Elliott sehen könnten, ist Will derjenige, bei dem es am Schlimmsten ist.
    »Ich habe die Aufgabe der medizinischen Versorgung übertragen bekommen, warum auch immer«, sagt Will.
    »Nein«, sage ich und schaue ihm in die Augen. In seine sehr dunklen Augen. »Keine Schlafmittel mehr.«
    Was immer Elliott mir gegeben hat, verliert endlich seine Wirkung, und ich beginne, mich wieder mehr wie ich selbst zu fühlen. Bewusster. Auch der brennende Schmerz von meiner Verletzung nimmt wieder zu, aber das ist ein Preis, den ich gern dafür zahle, dass ich wachsam sein kann.
    Wills Stimme ist sanft. »Leg dich auf den Bauch, Süße. Ich möchte mir die Naht genauer ansehen.«
    Der achtlos dahingeworfene Kosename führt mich in den Debauchery Club zurück. In eine einfachere Zeit, als ich noch keine dunklen Geheimnisse kannte und nicht versucht habe, die Welt zu retten. Aber das wischt seinen Verrat nicht beiseite. Er berührt meine gesunde Schulter, um mir zu helfen, aber ich schiebe ihn weg.
    Elliott setzt sich auf, rutscht zum Fußende des Bettes. Er macht sich nicht einmal die Mühe, sein selbstgefälliges Grinsen vor Will zu verbergen.
    Ich lege mich behutsam hin, versuche so zu tun, als wenn mir nichts weh tun würde. Ich werde keinem von beiden einen Grund geben, mir ein Medikament zu verabreichen. Meine Schulter schmerzt, als Will den Verband von der Wunde nimmt. Er ist vorsichtig, aber meine Augen füllen sich trotzdem mit Tränen.
    »Ist schon besser geworden«, sagt er, und seine Erleichterung klingt aufrichtiger, als man es bei jemandem erwarten würde, der mich einem Wahnsinnigen übergeben und damit zum Tod verurteilt hatte. »Die Naht hält, und die Wunde sieht nicht entzündet aus.«
    »Danke«, sagt Elliott mit der Stimme und in dem Tonfall, den er gegenüber Dienern benutzt.
    Wills Hände verharren für den Bruchteil einer Sekunde. »Gern geschehen, Sir«, sagt er. Es klingt distanziert, unnahbar. Er wird nicht zulassen, dass Elliott denken könnte, es würde ihm etwas ausmachen. Aber ich weiß, dass es das tut.
    »Ich muss jetzt Essen kochen.« Will rollt das unbenutzte Verbandsmaterial zusammen, ohne einen von uns anzusehen. »Niemand sonst scheint zu wissen, wie das geht. Die Reichen haben so wenig nützliche Fähigkeiten.«
    Er lässt die Tür hinter sich zuknallen.
    »Ich habe sogar einige sehr nützliche Fähigkeiten«, ruft Elliott.
    Mein Gesicht brennt bei dem zweideutigen Ton von Elliotts Bemerkung. Hier liegen wir gemeinsam in diesem schmalen Bett, und Elliott hat sein Hemd immer noch nicht wieder angezogen. Aber die einzige Anwort ist
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