Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition)
Autoren: Inez Corbi
Vom Netzwerk:
aufgequollen, und die Holzbohlen des Fußbodens hatten sich ein wenig verzogen, aber es sah nicht so aus, als wäre weiterer Schaden entstanden. Überhaupt machte die Stube einen durchweg ordentlichen und gepflegten Eindruck.  
    Als McIntyre ihm einen Platz anbot, zögerte er, bevor er sich setzte und das in ein Tuch gewickelte Bündel hinter sich auf den Stuhl legte. Nach all den langen Monaten als Sträfling würde es wohl noch eine ganze Zeit dauern, bis er sich wieder wie ein freier Mann fühlen würde.  
    Unaufgefordert erschien Ann und stellte einen Krug mit Wasser und zwei Gläser auf den Tisch. Etwas war anders an ihr. Sie hatte ihre mausbraunen Haare zu einem kleinen Knoten geschlungen, trug ein einfaches helles Kleid, das er noch nie an ihr gesehen hatte, und wirkte nicht mehr ganz so verhuscht wie früher.  
    »Danke, Ann«, sagte McIntyre freundlicher, als Duncan es je von ihm gehört hatte. Bei diesen Worten schien sie förmlich zu erglühen. Dann knickste sie und ging hinaus.  
    Obwohl er Durst hatte, trank Duncan nur einen kleinen Schluck. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er befürchtete, in McIntyres Gegenwart nicht mehr hinunterzubekommen. Auch der Doktor wirkte angespannt, aber im Gegensatz zu Duncan schüttete er das Wasser mit einem einzigen Schluck hinunter. Als er das Glas auf dem Tisch absetzte, hörte es sich unnatürlich laut an.  
    »Nun bist du also tatsächlich frei.« Er vermied es, Duncan anzusehen. »Was willst du hier?«  
    Auch Duncan stellte sein Glas ab. »Mich bedanken. Für das, was Ihr für meinen Vater getan habt. Ihr habt ihm das Leben gerettet.«  
    McIntyre wirkte fast erleichtert, seine Schultern sanken herab. »Nun«, brummte er. »Dazu ist ein Arzt schließlich da.«  
    »Außerdem habe ich etwas für Euch.« Duncan griff hinter sich und reichte McIntyre das längliche Bündel.  
    Der Doktor sah ihn in einer Mischung aus Hoffnung und Unglauben an, dann schob er sein Glas und den Krug zurück, legte das Bündel auf den Tisch und begann, es mit Bedacht aufzuschnüren. Ein schmales, metallenes Rohr kam zum Vorschein.  
    McIntyres Wangen bekamen hektische Flecken. »Das oculus introspectans !«, stieß er hervor. Das Rohr war ein wenig ramponiert und an einer Stelle plattgedrückt; nichts, was man nicht wieder hätte richten können. »Wo hast du es gefunden?«  
    »Außerhalb von Parramatta. Halb im Uferschlamm begraben.«  
    War es wirklich Zufall gewesen, dass ihm der silbrige Schimmer unter all dem Gestrüpp und angeschwemmtem Treibgut aufgefallen war? Duncan glaubte nicht an Zufall. Aber wegen dieses Rohrs hatte es zum ersten Mal Streit zwischen Moira und ihm gegeben. Sie hatte nicht gewollt, dass er dieses Ding, dessen Zweck sich ihr nicht erschloss und den er ihr auch nicht erklären wollte, weil er noch immer zu seinem Wort stand, zurück zu McIntyre brachte.  
    »Er hat eine Waffe auf dich gerichtet!«, hatte sie gegrollt. »Du bist ihm zu nichts mehr verpflichtet!«  
    Das war sicher richtig, und doch empfand er es so.  
    McIntyre strich fast zärtlich über das dünne, metallene Rohr. »Das ist … sehr freundlich von dir«, brachte er schließlich stockend hervor. Die Worte kosteten ihn sichtbar Überwindung. »Es war in der Truhe«, sprach er dann unvermittelt weiter. Duncan hatte den Eindruck, als hätte der Doktor plötzlich das Bedürfnis, mit ihm darüber zu reden. Und so erfuhr er, dass die Truhe, in der McIntyre seine Forschungsunterlagen gesammelt hatte, davongeschwemmt worden war. Man hatte sie vorgestern flussabwärts entdeckt, mit zerkratztem Deckel und einer eingedrückten Seitenwand, und was von McIntyres Notizen noch vorhanden war, war durchweicht und die Tinte unlesbar zerlaufen. Und das oculus war verschwunden. Bei der Erinnerung glitt für einen Moment Schmerz über sein Gesicht. »Ann und ich konnten einige meiner Notizen retten. Ich überlege, die Ergebnisse meiner Forschungen noch einmal neu niederzuschreiben und dann zu publizieren. Vielleicht lege ich es auch erst einigen Kollegen vor. Ich dachte da an Dr. Balmain und Dr. Wentworth.«  
    McIntyre hatte mehr zu sich selbst gesprochen, und so schwieg Duncan. Er war kein Arzt, was hätte er auch sagen sollen? Schließlich nickte er.  
    Der Doktor zögerte, strich erneut über das Rohr. Er schien mit sich zu ringen, dann gab er sich einen Ruck und schaute auf.  
    »Du … du könntest dir nicht vorstellen, dieses oculus zu reparieren? Natürlich gegen Bezahlung«, fügte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher