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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition)
Autoren: Inez Corbi
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ängstlich. »Ich glaube, er stirbt! Komm!«  
    Gemeinsam eilten die Schwestern die Treppe einen Stock hinunter zum Schlafzimmer der Eltern. Hinter der angelehnten Tür drang ein schmerzerfülltes Stöhnen hervor.  
    Moira klopfte und schob sich gleich darauf ins Zimmer, Ivy dicht hinter sich. Der Vater lag im Bett, die massige Gestalt unter einer Decke begraben, das sonst so rosige Gesicht aschfahl im Schein einer flackernden Kerze.  
    »Vater! Was fehlt dir?«  
    »Es fühlt sich an«, keuchte Philip Delaney, die Hände in die Bettdecke gekrallt, »als wühle jemand mit einem Messer in meinem Unterleib.«  
    »Was ist mit dir?« Moiras Stimme klang schrill. »Ivy hat gesagt, du würdest sterben!«  
    »Unsinn!« Mutter erhob sich von einem Stuhl neben dem Bett. Trotz der nächtlichen Stunde lagen ihre Haare makellos. »Es ist nur ein Bauchgrimmen, nichts weiter. Wahrscheinlich hat er wieder zu reichlich dem Essen zugesprochen.« Ihr Blick ging zu Moiras lose herabhängendem Schal. »Es gibt keinen Grund, wie ein Straßenmädchen herumzulaufen. Und ordne dein Haar!«  
    Zerstreut kam Moira dieser Aufforderung nach, doch ihr Haar war so störrisch wie sie selbst. In die kleinen Löckchen, die Mutters Gesicht wie das der griechischen Vorbilder umgaben, ließ sich Moiras dunkler Schopf kaum zwingen.  
    Ivy drängte sich neben sie. »Wo bleibt Dr. Ahern?«  
    »Dr. Ahern weilt wegen dringender familiärer Angelegenheiten auf dem Kontinent. Ich habe das Hausmädchen zu diesem Dr. McIntyre geschickt.« Mutters Stimme klang wie immer. Kühl und gefasst.  
    »Dem Bekannten von Mr Curran?«  
    Mutter nickte. »Ich hoffe nur, dass er etwas taugt.« Sie warf einen Blick aus dem Fenster, vor dem es noch immer in Strömen goss. »Euer Vater hat sich für seine Unpässlichkeit das denkbar schlimmste Wetter ausgesucht. Dieser April macht mich noch ganz krank.«  
    Vor der Tür waren eilige Schritte zu hören. Jane, die Haushälterin, kam mit einer kupfernen, mit glühendem Torf gefüllten Wärmflasche herein, die sie mit einem Tuch umwickelt hatte. Sie keuchte; die vier Stockwerke vom Keller, wo die Küche lag, zogen sich. Mrs Delaney nahm die Kupferflasche und schob sie ihrem Gatten unter die Bettdecke. Der schwere Mann ächzte auf, sein Gesicht verzog sich vor Schmerzen.  
    »Hoffentlich beeilt Bridget sich«, murmelte Jane, während Mutter die Decke über dem fülligen Leib glattstrich. Moira erhaschte einen flüchtigen, irgendwie strafenden Seitenblick. Aber sie konnte doch nichts dafür, dass es dem Vater schlecht ging!  
    »Es ist alles deinetwegen!« Mutter schien ihre Gedanken zu lesen. »Wenn er sich nicht so hätte aufregen müssen, dann –«  
    »Eleanor, bitte!« Philip Delaney versuchte, sich in seinem Bett aufzurichten, sank aber stöhnend wieder zurück.  
    »O doch, sie weiß es ganz genau. Du bringst deinen Vater noch ins Grab mit deinen … deinen Eskapaden.« Mutters Lippen waren noch schmaler als sonst, ihre Augen blickten kalt.  
    Moira öffnete den Mund, eine scharfe Erwiderung auf den Lippen, dann schloss sie ihn wieder. Es hatte doch keinen Sinn, sich gegen diese Vorwürfe aufzulehnen.  
    Als die Türglocke ging, atmete sie auf. Jane eilte hinunter. Nach einer Weile hörte Moira schwere Schritte, dann öffnete Bridget, hörbar außer Atem, die Tür zum Schlafzimmer.  
    »Dr. McIntyre!« Mutter trat auf den Arzt zu. »Was für ein Glück, dass Ihr kommen konntet.«  
    Der Doktor, der ebenso wie das Hausmädchen vom Treppensteigen schnaufte, war im Alter ihrer Eltern, schätzte Moira. Ein rotbrauner Backenbart gab seinem Gesicht einen grimmigen, verkniffenen Ausdruck, der durch die schweren Tränensäcke noch verstärkt wurde. Dieser Mann wusste die schönen Seiten des Lebens sicher nicht zu würdigen. Außerdem roch er nach abgestandenem Schweiß. Aber das war kein Wunder – Bridget hatte ihn schließlich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt.  
    Dr. McIntyre stellte seine Arzttasche auf den Nachttisch, seine Schuhe hatten feuchte Abdrücke auf dem Teppich hinterlassen. Er holte eine kleine Brille mit runden Gläsern heraus, setzte sie auf seine grobporige Nase und strich sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen Backenbart.  
    »Wenn ich die Damen jetzt bitten dürfte, den Raum zu verlassen.« Er wandte sich dem Vater zu, ohne darauf zu achten, ob man seiner Bitte nachkam.  
    Eleanor Delaney scheuchte ihre Töchter hinaus und schloss die Tür von außen. Sie wartete, bis
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