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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition)
Autoren: Inez Corbi
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liebenswürdig zu. Irgendwie zu liebenswürdig, wie Moira fand.  
    »Ein tüchtiger Mann«, sagte Mutter nachdenklich, nachdem sie den Arzt verabschiedet und ihm trotz seines Zauderns eine Kiste besten italienischen Rotweins mitgegeben hatte. »Zu schade, dass er Irland schon so bald verlassen wird.«  
    *  
    »Von allen Dingen ist die Freiheit wohl das kostbarste Gut.« John Curran nahm einen weiteren Schluck Tee.  
    Moira nickte, den Mund voller Gurkensandwich. Während der Zeit ihres Stubenarrests hatte sie sich schließlich selbst wie eine Gefangene gefühlt. Bis auf Bridget, die ihr das Essen aufs Zimmer gebracht, und Ivy, die sich ab und zu verbotenerweise zu ihr geschlichen und ihr erzählt hatte, was es Neues gab, hatte sie niemanden gesehen.  
    »Wir stehen kurz vor einem neuen Jahrhundert«, fuhr Curran fort. »Ich hoffe, dass die Menschheit ein wenig vernünftiger geworden ist und sich an die Ideale der Französischen Revolution erinnert.«  
    »Seid Ihr etwa ein Jakobit, Mr Curran?«  
    Er lächelte. »So würde ich es nicht gerade nennen, Miss Moira. Aber wenn gute Männer nicht handeln, kann das Schlechte immer weiter wachsen. Und manches von dem, was die Jakobiten vertraten, ist durchaus geeignet, diese Welt ein bisschen besser zu machen.«  
    »Ich weiß so wenig von der Welt«, sagte Moira. »Vater will nicht, dass wir die Zeitung lesen. Er sagt, das gehöre sich nicht für eine Frau.«  
    Natürlich gehörte es sich genauso wenig, sich als unverheiratete junge Frau allein mit einem Mann in einem Raum aufzuhalten. Aber Miss Egglestone, die auf solche Dinge geachtet hätte, war nicht mehr da, und so war nur das Hausmädchen Bridget anwesend, das sich wie ein dienstbarer Geist im Hintergrund hielt. Moira hätte nicht gedacht, dass sie die altjüngferliche Gouvernante vermissen würde. Doch auch wenn Moira die Handarbeit und das Musizieren nie sonderlich geschätzt hatte, so hatte der Unterricht doch ein wenig Abwechslung in die nicht enden wollende Abfolge gleichförmiger Tage gebracht.  
    Umso mehr genoss sie es jetzt, sich mit Mr Curran zu unterhalten. John Curran war der Vater ihrer Freundin Sarah – und einer der wenigen, die sich nach dem Skandal nicht zurückgezogen hatten. Sicher, Moira hatte einen schweren, in Mutters Augen sogar unverzeihlichen Fehler begangen. Und doch, wenn sie die Zeit hätte zurückdrehen können, sie hätte es wieder getan. Selbst jetzt musste sie grinsen, wenn sie daran dachte, was am Abend ihres Debüts vorgefallen war.  
    Für Moira hatte dieser Tag, an dem sie in die Gesellschaft eingeführt werden würde, eine eher lästige Pflicht dargestellt, denn die endlosen Anproben im Beisein von Schneiderin, Gouvernante und ihrer Mutter nahmen ihr die Zeit, mit Dorchas zusammen zu sein. Die Stute war zum ersten Mal trächtig. Moira wollte diese Geburt unbedingt miterleben, und sie betete darum, dass dieser Termin nicht ausgerechnet mit ihrem Debüt zusammenfallen würde. Ihre Eltern hätten nie gestattet, dass ihre Tochter dem Ball fernbliebe.  
    Doch ganz genauso war es gekommen. Kurz bevor Moira, herausgeputzt wie eine Prinzessin, mit ihren Eltern die Kutsche bestieg, war sie noch einmal heimlich in den Stall geschlüpft. Dorchas’ Euter, das in den vergangenen Wochen deutlich größer geworden war, glänzte, an den Zitzen zeigten sich bereits harzige Tropfen – das sichere Zeichen für eine bevorstehende Geburt. In diesem Moment stand Moiras Entschluss fest.  
    Kaum hatte sie den ersten Tanz hinter sich, entschuldigte sie sich bei ihrem Tanzpartner und stahl sich durch eine Hintertür nach draußen. Mit der Perlenkette, die Mutter ihr geschenkt hatte, bezahlte sie eine Mietkutsche, die sie nach Hause brachte. Zurück zu Dorchas. Moira war noch nie so glücklich gewesen wie in dem Moment, als der kleine Pferdekörper aus Dorchas’ Leib auf die Erde gefallen war und sie ihn mit Stroh trockenreiben konnte.  
    Dass ihre Eltern mittlerweile in der Annahme, ihre Tochter sei entführt worden, die Konstabler eingeschaltet hatten – das hatte Moira natürlich nicht erwartet. Als Philip und Eleanor Delaney nach langen Stunden des Wartens und Hoffens schließlich nach Hause gefahren waren, hatten sie ihre Erstgeborene im Stall vorgefunden, das weiße Ballkleid und sie selbst mit Blut, Dreck und Heu beschmutzt. Nie würde Moira Mutters eisigen Blick vergessen, mit dem sie ihre Tochter auf ihr Zimmer schickte. Als hätte sie einen Mord begangen.  
    Der Skandal war
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