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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition)
Autoren: Inez Corbi
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und damit gezeigt, dass man sich hier, in diesem fernen Land weit weg von Europa, nicht unbedingt um die Konventionen scheren musste?  
    Duncan wickelte das Tuch auf und legte ihr ein in schwarzes Leder gebundenes Buch in den Schoß. »Ich habe den Doktor gefragt, ob ich sie haben kann.«  
    »Meine Bibel!« Moira strich mit einem halbwegs sauberen Fingerknöchel über den Einband und musste lächeln, als sie sich daran erinnerte, wie sie vor vielen Monaten Duncan damit in der Küche angetroffen hatte – und an das anregende Bibelstechen …  
    »Es war aus dem Hohelied der Liebe«, murmelte sie.  
    »Was?«  
    »Was ich dir damals nicht aus der Bibel vorlesen wollte. ›Meinem Freund gehöre ich, nach mir steht sein Verlangen.‹«  
    »Tut es das?« Duncan lächelte, dann schnupperte er und blickte suchend um sich. »Was riecht hier eigentlich so seltsam?«  
    Moira legte die Bibel zurück in das Tuch und deutete auf den Topf, den sie nach draußen gebracht hatte, um den Gestank nicht in der Hütte zu haben. »Ningali hat Wurzeln und ein Stück Fleisch gebracht, und ich habe versucht, daraus einen Eintopf zu kochen.« Sie verzog schuldbewusst den Mund und hob die Schultern. »Er ist ganz fürchterlich angebrannt.«  
    Sie war nie in die Kunst des Kochens eingeweiht worden. Das war auch nicht nötig gewesen; eine Dame, so pflegte sich ihre Mutter auszudrücken, hatte dafür schließlich Personal.  
    Duncan öffnete den Topfdeckel, um einen Blick hineinzuwerfen, rümpfte die Nase – und schloss den Deckel schnell wieder.  
    »Meine kleine Schwester war also hier?«, fragte er beiläufig.  
    Moira nickte mit einem nachsichtigen Lächeln. Seit Duncan von seiner Familie wusste, ließ er kaum eine Gelegenheit aus, darüber zu sprechen. »Wahrscheinlich steckt sie noch irgendwo in der Gegend. Sie und ihr Dingo.«  
    Sie warf einen Blick des Bedauerns auf den Topf mit dem angebrannten Essen. »Vielleicht sollte ich noch einmal zu D’Arcy gehen und um Brot und Zwiebeln bitten. Hoffentlich bereut er nicht schon, dass er uns seine Unterstützung angeboten hat.«  
    »Lass dem armen Dr. Wentworth etwas Gnadenfrist. Wir werden noch oft genug vor seiner Tür stehen, wenn du wieder den Kochlöffel schwingst.« Duncan schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich mit einer Frau zusammenleben soll, die so grauenvoll kocht.«  
    »Na warte!« Moira griff in den Eimer mit Lehm und warf einen Klumpen nach ihm. Er wich aus, und der Klumpen landete im Gras. Im nächsten Moment war Duncan aufgesprungen und versuchte, sich auf sie zu stürzen. Moira war schneller, entwischte ihm, stolperte fast über den Eimer, fing sich aber und rannte davon. Ihr Sonnenhut fiel ins Gras. Duncan setzte ihr nach und jagte sie um die Hütte. Er erwischte sie, als sie vor lauter Lachen nicht mehr weiterkonnte.  
    »Meine kleine Wildkatze …« Er umfing sie von hinten und presste sich an sie. Sie lehnte sich gegen ihn, spürte ihren raschen Herzschlag an ihrem Hals und den seinen dicht daneben.  
    »Ich werde Mr Betts bitten, mir seinen Pflug zu leihen«, murmelte er in ihr Haar. »Und dann werde ich anfangen, das Feld zu pflügen. Aber das«, er küsste sie auf den Scheitel, »hat Zeit bis morgen.«  
    Er drehte sie um und küsste ihre Augenlider. Moira atmete schneller, und das nicht nur, weil sie gerannt war. Sie ließ sich in seine Umarmung fallen. Dann hob er sie hoch und trug sie in ihre kleine Hütte zu ihrem Schlafplatz aus Stroh, Fellen und Decken. Und diesmal versuchte sie gar nicht erst, leise zu sein.  
    Als der Abend hereingebrochen war und sich die Geräusche der Nacht herabgesenkt hatten, trat Moira noch einmal vor die Tür der kleinen Hütte, dort, wo sie demnächst eine einfache Veranda bauen würden. Die Nacht umfing sie mit samtiger Wärme, das Zirpen der Grillen tönte durch die Luft. Sie stand ganz still, blickte über das Land, das sich da im Dunkeln vor ihr erstreckte. Dann richtete sie den Blick nach oben, hinauf in den nächtlichen Himmel, wo die schmale Mondsichel schimmerte und tausend Sterne wie Edelsteine in einem Bett aus schwarzem Samt funkelten. Sie breitete die Arme aus, atmete tief durch und ließ sich durchströmen vom Geist des Landes, dieses fremden, wunderbaren Landes.  
    Sie war angekommen. Hier, in dieser kleinen, leicht schiefen Hütte, die sie in all ihrer Unvollkommenheit selbst gebaut hatten, fühlte sie sich endlich zu Hause.  
    Und das Leben
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