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Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen

Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen

Titel: Gute-Nacht-Geschichten vom kleinen Apfelbäumchen
Autoren: Ludwig Hellmann
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1. Wie alles begann
     
    Es war ein schöner Spätsommer. Die Sonne schien noch hell und wärmte das Land. Auf der Obstwiese hinter dem Bauernhaus summten die Bienen. Sie sammelten den Nektar der wenigen, noch verbliebenen Blumen, um den Winter zu überstehen. Die Apfelbäume trugen schwer an ihrer Last. Alle Äste waren über und über mit Früchten behängt, die nur darauf warteten, geerntet zu werden.
     
    Drei Jungen tobten im Garten. Sie spielten Fangen. Plötzlich sagte einer:
    „Lasst uns zum See gehen und auf die Weiden am Ufer klettern!“.
    Sie rannten los. Doch der kleinste von ihnen konnte der Versuchung nicht widerstehen. Schnell pflückte er sich noch einen schönen, roten Apfel und biss hinein. Dann rannte er, so schnell er konnte, den anderen Jungs hinterher. Doch der Apfel in seiner Hand störte ihn beim Laufen. Er biss noch einmal tief in die süße Frucht und warf den Rest des Apfels in den Feldrain.
     
    Der angebissene Apfel rollte einen kleinen Hang hinab. Dabei fiel ein Kern hinaus, denn der Junge hatte mit seinem Biss das Gehäuse des Apfels geöffnet. Das war großes Glück für den Kern, denn der Apfel rollte und rollte. Geradewegs auf eine Weide zu. Kurz vor einer Kuh blieb er liegen. Das Tier war überrascht. Äpfel hatte es hier noch nie gesehen. Doch es dachte nicht weiter darüber nach. Gerne nahm es das Geschenk an, und mit einem „Haps“ war der angebissene Apfel in seinem Maul verschwunden.
     
    Davon wusste der Kern natürlich nichts. Nachdem er aus dem Apfel fiel, hüpfte er von Grashalm zu Grashalm, prallte auf einen Kieselstein und kam wenige Zentimeter vor den Ästen eines Strauches zur Ruhe. Da lag er nun auf der Erde. Ganz alleine und ohne seine Brüder war er umringt von Grashalmen, die ihn hoch überragten und sich im lauen Wind wiegten. Die Blätter des Strauches in seiner Nähe raschelten leise, und es schien als tuschelten sie mit den Grashalmen. Doch das störte den Apfelkern nicht. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er die Sonne, spürte den Wind und sah im hellen Tag all die vielen Dinge, die ihm bisher verborgen waren. Er war begeistert.
     
    Die Wärme des Tages ließ seine Schale trocknen. Sie wurde hart und härter. Die Bilder um ihn herum wurden schwächer. Er schlief ein. Die Nacht kam. Doch die Dunkelheit bemerkte er genauso wenig wie den Regen am folgenden Tag. Die Tage und Nächte wurden kühler und es regnete oft. Käfer krabbelten über den schlafenden Kern und drückten ihn sanft in den feuchten Boden.
     
    Dann breitete sich der Herbst über der Landschaft aus. Der nah gelegene Strauch warf seine bunten Blätter über das Gras und den kleinen Apfelkern in seiner Nähe. Das Laub schützte ihn. So konnte auch die Kälte des Winters unserem Kern nichts anhaben. Und als endlich Schnee fiel, legte sich das frostige Weiß wie eine Decke über die Wiesen und Felder, die Bäume und Sträucher, die Häuser und Straßen. Die Welt schien friedlich und überall sauber. Doch die einzigen Blumen in dieser Welt waren Eisblumen.
     
    All das verschlief unser kleiner Kern. Er lag ruhig und geschützt und träumte von einer Welt voller Wärme und Sonnenschein.
     

2. Ein neuer Apfelbaum entsteht
     
    Die Frühlingssonne hatte kein Erbarmen mit dem Schnee. Erst wenig und dann immer mehr leckte sie an der weißen Kruste. Die Eiskristalle blinzelten und glitzerten im Sonnenschein, als wollten sie der Welt ringsumher „Auf Wiedersehen“ sagen. Bald schon wurden die ersten Flecken sichtbar. Hier ein braunes Stück Acker, das die Bauern im Herbst noch umgebrochen hatten und dort ein Fleckchen Wiese. Kleine Rinnsale geschmolzenen Schnees flossen die Straße entlang. Auch auf das Blatt, das den kleinen Apfelkern bedeckte, fielen schwere Wassertropfen. Ringsherum bildete sich eine kleine Pfütze. Bald schon schwamm das Blatt davon. Doch es dauerte nicht lange, und die Erde hatte den winzigen See aufgesaugt. Der kleine Kern erwachte.
     
    Der nasse Boden und die Tropfen vom nahe gelegenen Strauch hatten seine Schale aufgeweicht. Vorsichtig blinzelte er dem Himmel entgegen. Er genoss die Wärme der Sonne. Die Feuchtigkeit der Erde störte ihn nicht. Im Gegenteil: Er saugte das Wasser begierig auf.
    „Die Welt ist doch wirklich schön“, sagte er zu sich, obwohl er nicht wusste, wie groß die Welt in Wirklichkeit war. Die Zeit verging und die roten Strahlen der untergehenden Sonne kitzelten den Kern zum letzten Mal an diesem Tag. Dunkelheit zog auf. Doch der kleine Apfelkern
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