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Das Lied der Cheyenne

Das Lied der Cheyenne

Titel: Das Lied der Cheyenne
Autoren: Thomas Jeier
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»Sie ist doch nicht gefährlich, oder? Ich meine, sie hat kein Messer oder so?«
    »Nein«, versicherte Tinker, »aber sie ist auch kein zartes Lämmchen, wenn Sie das meinen.« Er grinste. »Aber Sie können ganz beruhigt sein«, fuhr er fort, als er das ängstliche Gesicht des Farmers sah, »ich passe schon auf sie auf.« Er entsicherte seine Büchse und folgte seinem ersten Kunden.
    Büffelfrau sah die beiden Männer kommen und wusste genau, was sie vorhatten. Es war nicht schwer gewesen, ihrer Unterhaltung zu folgen, auch wenn sie kein Wort verstanden hatte. Aber die Zeichen waren deutlich gewesen. Der gelbe Sand, der von dem Händler wie bunte Muscheln geschätzt wurde, der junge Mann, der weggeschickt wurde … Der Händler hatte sie an den Mann mit dem gelockten Haar verkauft. Er würde sein Ding in sie stecken, und diesmal würde man ihr keine Gelegenheit geben, sich zu wehren. Der Händler würde mit dem Feuerstock daneben stehen und aufpassen, dass nichts geschah.
    Sie spürte, wie die Angst nach ihrer Kehle griff. Die heiligen Pfeile waren verschwunden, und sie war wehrlos den Ve-hos ausgeliefert. Sie schloss die Augen und beschloss, die Schmach und einen möglichen Tod wie eine tapfere Kriegerin zu ertragen. Sie würde nicht schreien, und sie würde sich nicht wehren. Sie würde teilnahmslos erdulden, was sie ihr antaten, und sie mit Verachtung strafen.
    Ein Schuss peitschte über die Lichtung. Sie öffnete erschrocken die Augen und sah, wie der Händler blutüberströmt zu Boden sank. Die Kugel hatte ihm die halbe Stirn weggerissen. Der Farmer stand wie erstarrt und wehrte sich nicht, als Blaue Augen auf die Lichtung trat und ruhig seine Flinte nachlud.
    »Verschwinde, bevor ich’s mir anders überlege!«, sagte Joshua. »Mit deinen Freunden hab’ ich schon gesprochen. Kehrt um, bevor eure Skalps vor irgendeinem Tipi hängen oder ich euch die Eier abschneide. Verschwinde, verdammt noch mal!« Die letzten Worte hatte er geschrien. Der Farmer überlegte nicht lange und rannte zwischen den Felsen davon.
    Joshua nickte zufrieden. Er zog sein Messer und befreite die Indianerin von ihren Fesseln. Er nahm sie behutsam in die Arme und küsste sie zärtlich.
    »Ich bin so schnell geritten, wie ich konnte«, sagte er. Er ließ sie los und machte die entsprechenden Zeichen. Er berichtete, wie er aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war und den Mann mit den roten Haaren verprügelt hatte. Er hatte seine Felle gegen Lebensmittel eingetauscht, hatte sein Packpferd beladen und war den Spuren Tinkers gefolgt. »Ich habe dein Pony mitgebracht«, signalisierte er, »und deinen Bogen und den Köcher mit den Pfeilen.«
    Büffelfrau umarmte ihn und spürte Tränen in ihren Augen. Maheo hatte sie nicht verlassen. Die Geister waren immer noch auf ihrer Seite und hatten Blaue Augen geschickt. Er war kein Ve-ho. Er war ein Krieger des Volkes, ein Held wie Süße Medizin, den Maheo in einem unbekannten Land geboren hatte. Er benahm sich anders als die Krieger der Hügelleute, er stieß keinen Kriegsruf aus, schlug keine Coups und nahm keine Skalps, er kleidete sich anders, und er hatte die Hautfarbe der blassen Männer, aber er war ein Krieger des Volkes.
    »Ich verehre dich«, sagte sie.
    »Nicht alle Weißen sind wie dieser Händler«, verteidigte er seine Rasse, »er war ein böser Mensch und wäre sowieso bald gestorben. Er wollte Whisky an die Pawnees verkaufen.«
    »Whisky?«
    »Feuerwasser«, benutzte er das Wort, das ihn die Sioux gelehrt hatten, »das braune Wasser in den Flaschen.« Er lächelte. »Ich trinke es auch gern, aber wenn man zu viel trinkt, weiß man nicht mehr, was man tut. Die Regierung hat verboten, dass wir es an die Indianer verkaufen.«
    »Regierung?«
    »Unsere Häuptlinge«, erklärte er. »Wir sind ein großes Volk und haben viele Häuptlinge. Sie sitzen in Washington, das ist eine große … ein großes Dorf im Osten. Unser Volk ist von weither gekommen …« Er wusste nicht, wie er ihr alles erklären sollte. Die Zeichen, die er kannte, reichten nicht, und selbst wenn sie gereicht hätten, wären sie von ihr nicht verstanden worden.
    »Du gehörst zu meinem Volk.«
    »Und du gehörst zu mir.«
    Sie umarmten sich wieder, und diesmal bedurfte es keiner Worte und keiner Zeichen, um sich dem anderen verständlich zu machen. Ihre Liebkosungen waren deutlicher als alles, was sie jemals gesagt hatten. In dem süßen Traum, der sie beide gefangen hielt, gab es nur Gefühle, und wenn einer von ihnen
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