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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne
Autoren: Charles Bukowski
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die Amateursäufer kotzten, und Ehemänner flirteten mit den Frauen von anderen, und die Frauen flirteten mit allem, was sich bot. Alles knutschte und fummelte in Badezimmern und Klosetts und manchmal auch in aller Öffentlichkeit, vor allem um Mitternacht, und am nächsten Tag gab es fürchterliche Ehekräche, die nur noch übertroffen wurden von den Auseinandersetzungen um die Tournament-of-Roses Parade und das Football-Endspiel in der Rose Bowl.
    Am Silvesterabend war Sara schon beizeiten da. Sie begeisterte sich für Sachen wie ›Magic Mountain‹, ›Raumschiff Enterprise‹ und ähnliche Weltraumklamotten, gewisse Rock-Gruppen, Sahnespinat und Reformkost, aber sie hatte mehr gesunden Menschenverstand als jede Frau, die ich bis dahin kennengelernt hatte. Nur Joanna Dover konnte vielleicht mit ihrer gutherzigen Art und ihrem praktischen Verstand noch mithalten. Sara sah auch viel besser aus als die Frauen, mit denen ich im Augenblick sonst noch zusammenkam, und es schien, als würde dieser Silvesterabend doch nicht so schlecht werden.
    Im Fernsehen hatte mir gerade der Nachrichtensprecher eines Lokalsenders mit idiotischem Grinsen ein »Glückliches Neues Jahr« gewünscht. Ich hatte etwas gegen Neujahrswünsche von wildfremden Menschen. Woher wollte er wissen, wer oder was ich war? Ich hätte einer sein können, der gerade eine geknebelte 5jährige mit den Füßen an einen Fleischerhaken gehängt hatte und sich anschickte, sie langsam in Stücke zu schneiden …
    Sara und ich waren mittlerweile am Feiern und Trinken. Doch es war schwer, sich einen anzutrinken, während die halbe Welt sich nach Kräften bemühte, dasselbe zu tun.
    »Naja«, sagte ich zu Sara, »es ist kein schlechtes Jahr gewesen. Niemand ist mir ans Leben gegangen.«
    »Und du kannst weiterhin jeden Abend bechern und bis Mittag im Bett bleiben.«
    »Wenn ich nur noch ein Jahr durchhalte.«
    »Typisch. Nichts als ein alter Saufbold.«
    Es klopfte, und die Tür ging auf. Ich fiel aus allen Wolken: Es war Dinky Summers, der Folksänger, gefolgt von seiner Freundin Janis.
    »Dinky!« röhrte ich. »Hey, shit, Mann, was läuft denn so?«
    »Keine Ahnung, Hank. Ich dachte mir einfach, wir schauen mal rein.«
    »Janis«, sagte ich, »das hier ist Sara. Sara … Janis.«
    Sara ging in die Küche und holte noch zwei Gläser. Ich schenkte ein. Wir machten ein bißchen belanglose Konversation. Dann sagte Dinky:
    »Ich hab ungefähr zehn neue Songs geschrieben. Ich glaube, ich werde immer besser.«
    »Finde ich auch«, sagte Janis. »Wirklich.«
    »Hey, Mann, weißt du noch, dieser Abend da, wo ich vor dir auf der Bühne war? … Jetzt sag mal, Hank – war ich da wirklich so schlecht?«
    »Schau her, Dinky, ich will dich nicht kränken, aber da hab ich eigentlich mehr getrunken als zugehört. Ich hab nur noch dran gedacht, daß ich selber gleich da raus muß. Ich muß mich jedesmal dazu zwingen. Es ist zum Kotzen.«
    »Ich steh unheimlich drauf, vor einem Publikum auf die Bühne zu gehn, und wenn ich bei ihnen ankomme und sie mögen mein Zeug, dann bin ich im siebten Himmel!«
    »Mit dem Schreiben ist es anders. Das macht man allein mit sich und dem Blatt Papier aus. Man kann sich nicht damit aufhalten, ob das von einer Bühne rüberkommt oder nicht.«
    »Da hast du wahrscheinlich recht.«
    »Ich war an dem Abend da«, sagte Sara. »Zwei Kerle mußten Hank auf die Bühne helfen. Er war betrunken und ganz grün im Gesicht.«
    »Was hast denn du von meiner Vorstellung gehalten, Sara?« fragte Dinky. »War es so schlecht?«
    »Nein, war es nicht. Die Leute waren einfach ungeduldig, weil sie Hank hören wollten. Da hat sie alles andere nur irritiert.«
    »Danke, Sara.«
    »Ich hab von Folk-Rock nicht so viel«, sagte ich.
    »Was hörst du denn gern?«
    »Die klassischen deutschen Komponisten mag ich so ziemlich alle. Und ein paar Russen.«
    »Ich hab zehn neue Songs geschrieben.«
    »Vielleicht könnten wir ein paar hören?« meinte Sara.
    »Aber ohne Gitarre wird das nicht gut gehen, hm?« fragte ich hoffnungsvoll.
    »Oh, er hat sie dabei«, sagte Janis. »Er hat sie immer dabei!«
    Dinky ging raus und holte seine Gitarre aus dem Wagen. Dann setzte er sich auf den Teppich und begann das Ding zu stimmen. Nun sollten wir also tatsächlich auch noch ein Abendkonzert bekommen, live. Dinky war jetzt soweit und fing an. Er hatte eine kräftige, volle Stimme. Sie hallte von den Wänden zurück. Der Song handelte von einer Frau. Von einer gescheiterten Liebe
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