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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne
Autoren: Charles Bukowski
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ich, »dir diese Fransen da abzureißen, und dann könnten wir da weitermachen.« Lydia drehte sich um und ging weg. Es hatte nicht funktioniert. Ich wußte nie, was ich zu den Ladies sagen sollte. Ich war kein Frauenheld. Aber einen Hintern hatte sie. Ich sah diesen sagenhaften Hintern an, während sie davonging. Er wippte unter ihren straffen Bluejeans, und ich sah ihm nach, bis er verschwand.
    Ich brachte die zweite Hälfte der Lesung hinter mich, und ich vergaß Lydia Vance genauso, wie ich die Frauen vergaß, die auf der Straße an mir vorbeigingen. Ich ließ mir mein Geld geben, unterschrieb eine Quittung, signierte einige Papierservietten, dann ging ich raus und fuhr nach Hause.
    Es war die Zeit, als ich noch jede Nacht an meinem ersten Roman arbeitete. Ich fing nie vor 18.18 Uhr an – da hatten immer meine Nachtschichten im Hauptpostamt begonnen. Es war gerade sechs Uhr abends, als sie kamen: Peter und Lydia Vance. Als ich die Tür aufmachte, sagte Peter: »Schau her, Henry! Sieh dir an, was ich mitgebracht habe!«
    Lydia sprang auf den Kaffeetisch. Ihre Jeans saßen enger denn je. Sie schlenkerte ihre langen braunen Haare hin und her. Sie war verrückt. Sie war fabelhaft. Zum ersten Mal dachte ich jetzt daran, wie es wäre, sie im Bett zu haben.
    Sie fing an, Gedichte zu rezitieren. Ihre eigenen. Sehr schlecht, fand ich. Peter versuchte, sie davon abzubringen: »Nein! Nein! Bloß keine gereimten Gedichte! Nicht bei Henry Chinaski!«
    »Laß sie nur, Peter.«
    Ich wollte ihren Hintern genießen. Sie stelzte auf diesem alten Kaffeetisch hin und her. Dann tanzte sie. Wedelte mit den Armen. Ihre Gedichte waren schauderhaft, doch ihr Körper und ihre Verrücktheit waren alles andere.
    Schließlich sprang sie vom Tisch herunter.
    »Wie hat dir das gefallen, Henry?«
    »Was?«
    »Die Gedichte.«
    »Tja, die eigentlich nicht so besonders.«
    Lydia stand da, die Blätter mit ihren Gedichten in der Hand. Peter packte sie von hinten. »Laß uns ficken!« sagte er. »Komm, wir ficken!«
    Sie stieß ihn weg.
    »Na schön«, sagte Peter, »dann geh ich eben!«
    »Geh doch«, sagte sie. »Ich bin mit meinem eigenen Auto da. Ich komm jederzeit wieder nach Hause.«
    Peter rannte zur Tür, blieb stehen, drehte sich um. »All right, Chinaski! Vergiß nicht, daß ich sie dir gebracht habe!«
    Er knallte die Tür hinter sich zu, und weg war er. Lydia setzte sich auf die Couch, ganz vorne, nahe bei der Tür. Ich setzte mich neben sie, mit 30 cm Abstand. Ich sah sie an. Sie sah hinreißend aus. Ich traute mich nicht recht. Ich streckte die Hand aus und berührte ihr langes Haar. Magisch, dieses Haar. Ich zog meine Hand zurück. »Ist das echt? Alles dein eigenes Haar?« fragte ich. Ich wußte, daß es keine Perücke war. »Ja«, sagte sie, »ist es.« Ich streckte wieder die Hand aus, faßte sie unters Kinn und versuchte recht linkisch, ihren Kopf zu mir herumzudrehen. Ich hatte kein Selbstvertrauen in solchen Situationen. Dann waren ihre Lippen dicht vor meinen, und mein bißchen Mut verließ mich vollends. Ich gab ihr nur einen Hauch von einem Kuß, aber es war ein Gefühl, das mir durch und durch ging.
    Lydia sprang auf. »Ich muß gehn. Ich hab einen Babysitter zu Hause. Kostet mich Geld.«
    »Schau her«, sagte ich, »bleib doch noch. Ich geb dir das Geld. Bleib noch ’ne Weile.«
    »Nein, ich kann nicht«, sagte sie. »Ich muß gehn.«
    Sie ging zur Tür. Ich folgte ihr. Sie machte die Tür auf, drehte sich noch einmal um, und ich griff nach ihr, ein letztes Mal. Sie hob das Gesicht und gab mir einen winzigen Kuß. Dann machte sie sich von mir los und drückte mir die Blätter mit ihren Gedichten in die Hand. Die Tür fiel ins Schloß. Ich setzte mich auf die Couch, ihr Manuskript in der Hand, und hörte zu, wie sie den Wagen anließ und wegfuhr.
    Die Gedichte waren hektographiert und oben zusammengeheftet. Ich sah mir einige an. Sie waren nicht alle von Lydia. Es gab noch drei Schwestern, die ebenfalls schrieben. Die Sachen waren interessant, sie hatten Sex, die Schreibe war karg, okay, nichts dagegen. Nur kamen sie mir zu sehr auf diese geschwisterliche Tour, und wie lustig es sei, und wie tapfer sie alle zusammenhielten. Damit konnte ich nichts anfangen. Ich war ohne Geschwister aufgewachsen. Ich warf die Blätter weg, köpfte meine Flasche Whisky, stellte die Bierdosen in Reichweite und ging an die Arbeit. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Das Radio spielte Mozart und Brahms und Beethoven.

2
    Ein oder zwei
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