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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne
Autoren: Charles Bukowski
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    Ich war 50 und hatte seit vier Jahren keine Frau mehr im Bett gehabt. Es ergab sich einfach nichts mit Frauen. Ich sah sie an, wenn sie mir auf der Straße oder sonstwo begegneten, doch ich sah sie ohne Verlangen an und mit einem Gefühl von Vergeblichkeit. Ich onanierte viel, doch die Vorstellung, ein Verhältnis mit einer Frau zu haben, selbst ohne Sex, war für mich in weite Ferne gerückt. Ich hatte eine uneheliche Tochter von sechs Jahren. Sie lebte bei ihrer Mutter, und ich zahlte Alimente. Vor langer Zeit hatte ich einmal geheiratet, mit 35. Die Ehe hielt zweieinhalb Jahre, dann ließ sich die Frau von mir scheiden. Die einzige Frau, die ich je geliebt hatte, war am Alkohol gestorben. Sie war 48, als sie starb. Ich war 38. Die Frau, die ich geheiratet hatte, war zwölf Jahre jünger als ich. Ich glaube, sie ist inzwischen auch tot. Ich bin mir nicht sicher. Nach der Scheidung schrieb sie mir jedes Jahr zu Weihnachten einen langen Brief. Ich schrieb nie zurück.
    Ich weiß nicht mehr genau, wann ich Lydia Vance zum ersten Mal sah. Es wird wohl sechs Jahre her sein. Ich hatte gerade einen Job als Angestellter bei der Post nach einem Dutzend Jahren an den Nagel gehängt und versuchte mich nun als Schriftsteller. Ich hatte eine Heidenangst und trank mehr denn je. Ich wollte meinen ersten Roman schreiben. Nacht für Nacht saß ich an der Schreibmaschine und trank dabei jedesmal einen halben Liter Whisky und zwei Sechserpackungen Bier. Ich rauchte billige Zigarren und tippte und trank bis zum frühen Morgen und hörte mir klassische Musik aus dem Radio an. Mein Ziel waren zehn Seiten pro Nacht, doch ich kam nie zum Nachzählen und konnte erst am nächsten Tag die Ausbeute sichten. Wenn ich aufgewacht war und mich übergeben hatte, ging ich ins vordere Zimmer und sah nach, wie viele Seiten auf der Couch lagen. Es waren immer mehr als zehn. Manchmal lagen 17, 18, 23, 25 Seiten da. Die letzten paar Seiten einer Nacht waren natürlich unleserlich. Ich mußte sie entweder neu tippen oder wegwerfen. Nach einundzwanzig Nächten hatte ich meinen ersten Roman geschrieben.
    Der Bungalow gehörte zu einer Anlage, und die Verwalter, die weiter hinten wohnten, hielten mich für verrückt. Sie stellten mir jeden Morgen eine große braune Einkaufstüte vor die Tür. Der Inhalt wechselte, doch in der Regel waren es Tomaten, Rettiche, Orangen, grüne Zwiebeln, rote Zwiebeln, Suppendosen. Jeden zweiten Abend ging ich zu den beiden nach hinten und trank Bier mit ihnen, bis vier oder fünf Uhr morgens. Der alte Mann sackte nach einer Weile weg, und seine Frau und ich hielten Händchen, und ab und zu gab ich ihr einen Kuß. Beim Abschied an der Tür gab ich ihr immer einen besonders großen. Sie war entsetzlich faltig, doch dafür konnte sie nichts. Sie war katholisch, und wenn sie sich am Sonntagmorgen zum Kirchgang ihren rosaroten Hut aufsetzte, sah sie ganz reizend aus.
    Ich lernte Lydia Vance bei meiner ersten Lesung kennen, in der Drawbridge-Buchhandlung an der Kenmore Avenue. Auch davor hatte ich eine Heidenangst. Ich bildete mir ein, über der Sache zu stehen, aber Angst hatte ich trotzdem. Als ich ankam, gab es nur noch Stehplätze. Peter, der den Laden schmiß und mit einer jungen Schwarzen zusammenlebte, hatte einen Berg Dollars vor sich. »Shit«, sagte er, »wenn ich jedesmal so ein volles Haus hätte, könnte ich mir einen zweiten Trip nach Indien leisten!« Ich ging rein, und sie begannen zu klatschen. Ich war im Begriff, meine Unschuld als Dichter zu verlieren.
    Ich las dreißig Minuten, dann machte ich Pause. Ich hatte noch nicht genug getrunken und fühlte mich unbehaglich vor all diesen Augen, die mich aus dem dunklen Raum anstarrten. Ein paar Leute kamen her und sprachen mich an. Als das vorbei war und ich allein an einem Tisch saß und Bier trank, kam Lydia Vance an. Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Rand der Tischplatte, beugte sich vor und sah mich an. »Hi«, sagte sie. Sie hatte langes braunes Haar, ziemlich lang, ihre Nase war ein bißchen zu groß, und auf dem einen Auge schien sie leicht zu schielen. Doch sie hatte eindeutig eine starke Ausstrahlung. Man merkte, daß sie voll da war. Ich spürte, wie es zwischen uns knisterte. Es waren ein paar Schwingungen dabei, die wirr und ungut waren. Aber es war da. So etwas kam selten vor. Sie sah mir in die Augen, und ich starrte zurück. Sie trug eine Wildlederjacke mit Fransen am Ausschnitt. Ihr Busen konnte sich sehen lassen. »Ich hätte Lust«, sagte
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